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Grußwort von Botschafter von Geyr anlässlich der Präsentation des Albums „Maniser. Dynastie der Künstler“
Botschafter von Geyr, © IVDK
Grußwort von Botschafter von Geyr anlässlich der Präsentation des Albums „Maniser. Dynastie der Künstler“ und einer Ausstellung von Maniser-Skulpturen in der Tretjakow-Gallerie.
Moskau, 18. Oktober 2021
-Es gilt das gesprochene Wort.-
Herr Martens, Frau Martens,
Liebe Gäste des heutige Abends
und vor allem liebe Familie Maniser, Frau Pulchina-Maniser und Frau Olga Maniser,
schon lange hatten wir den heutigen Abend geplant, jetzt ist es so weit und ich freue mich sehr – denn heute geht es um große Kunst, um eine große Künstlerfamilie.
Anlass ist die Präsentation eines Bildbandes über diese einzigartig kreative Familie; eines Bildbandes, den die deutsche Botschaft gerne unterstützt hat.
So gestatten Sie mir einige Bemerkungen zum Thema:
Zunächst, liebe Frau Maniser, vor ein paar Monaten haben Sie mir die Türen des Familienateliers geöffnet und mich sehr freundlich dort empfangen – dort, wo so viel Kunst entstanden ist und aufbewahrt ist.
Ich war sehr ehrlich fasziniert: Fasziniert von der Atmosphäre, die Sie an diesem Ort erhalten haben, rund um die Bilder, Skulpturen, Modelle, Ateliers.
Die Kreativität mehrerer Künstlergenerationen ist dort zu spüren, ja bis zu Ihnen beiden. Und zwar die Kreativität starker, selbstbewusster Männer und vor allem auch starker, selbstbewusster Frauen!
Bemerkenswert ist, wie viele Angehörige der Familie künstlerisch talentiert waren - und wie viele es geschafft haben, diese Talente auch zu verwirklichen, sich durchzusetzen, auch zu Zeiten, als dies nicht selbstverständlich war.
Die Familie Maniser war und ist in diesem Sinn außerordentlich modern.
Mein zweiter Gedanke gilt der russlanddeutschen Familie Maniser. Der erste große Künstler, Heinrich Maniser, wurde im damals preussischen Memel geboren, ist als Kind nach Russland eingewandert.
So steht die Familie auch für den Erfolg vieler russlanddeutscher Persönlichkeiten.
Wenn sich Deutsche und Russen in der Geschichte eng verbunden waren und sind, in guten und auch in furchtbaren Zeiten, wenn sich die Menschen in unseren beiden Ländern auch heute auf eine besondere Weise zugewandt sind - dann sind die Russlanddeutschen eine ganz besondere, eine ganz besonders wertvolle Brücke.
Russlanddeutsche haben ihr Land, Russland, bereichert – und sie haben auch furchtbar gelitten. Diesen Sommer habe ich Blumen niedergelegt an einem Denkmal in Engels, das an das unmenschliche Deportationsdekret vor 80 Jahren erinnert.
Ich freue mich sehr, dass der Internationale Verband der Deutschen Kultur die heutige Ausstellung auch in unser Deutschlandjahr in Russland einbringt.
Das bringt mich zu meiner dritten Bemerkung, die nicht fehlen darf, denn mit den Werken der Künstler betrachten wir auch ihr Verhältnis zu den Zeitumständen.
So geht es bei dieser Künstlerfamilie um ein ganzes Jahrhundert, ein Jahrhundert voller Errungenschaften und Fortschritte, voller Kriege und Gewalt, voller Hoffnungen und Enttäuschungen, voller Brüche und Umbrüche – und in all diesen Phasen auch immer, in jeder Epoche und unter all diesen so wechselvollen Umständen geht es um ein Jahrhundert wunderbarer Kunst.
Ich möchte etwas weitergehen: ich bin überzeugt, im Grunde geht es bei Kunst um Freiheit: Um die Freiheit des Darstellens und des Betrachtens, um die Freiheit des Künstlers selbst und der Gesellschaft in der er lebt – oder eben um deren Unfreiheit.
Kunst ist nie völlig losgelöst von politischen Systemen - diese geben oder nehmen den Menschen Freiheit.
Dies gilt in meinem Land mit seiner schwierigen Geschichte des letzten Jahrhunderts ebenso wie in Russland.
Ganz gewiss waren die Maler Heinrich Maniser und seine Frau in ihrer Zeit, der Zarenzeit, mit schwierigen Fragen etwa sozialer Freiheiten konfrontiert, und der Sohn, Matwej und seine Frau, die grandiosen Bildhauer, mussten in ihrer Zeit, der Sowjetunion, des Krieges und des Stalinismus ihr eigenes Verhältnis zu Freiheit und Unfreiheit bestimmen, ebenso wie Ihr Sohn Hugo, mit seinen unendlich sensiblen Bildern der Natur und Landschaften seiner Heimat, und die anderen Künstler der Familie in ihrer jeweiligen Zeit auch.
So ist die Kunst dieser Dynastie auch ein Spiegel der Geschichte ihres Landes.
Wir Deutsche kennen dieses schwierige Thema nur zu gut. Kunst höchster Exzellenz und Klasse ist entstanden zu allen Zeiten, gefeiert, toleriert, gefördert, angedient, missbraucht, verboten, zerstört – und der Künstler ist in der Mitte dieses Spannungsfeldes, ob er will oder nicht.
Interessant, dass genau zu dieser so komplexen Thematik in diesen Tagen eine eigene Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin stattfindet.
Das Nachdenken, die Reflektion über diese Themen der Kunst gehört zur Betrachtung, ebenso wie die Freude und Bewunderung über die künstlerische Exzellenz.
Künstlerische Exzellenz - damit zurück zur großen Kunst der Manisers und zum Bildband.
In diesem Bildband gibt es viel zu entdecken, von Portraits aus der Zarenzeit, ja sogar vom Zaren selbst, über geradezu lebendig wirkende Skulpturen von Ballett und Sport, über die Figuren der interessantesten aller Moskauer U-Bahnstationen, die auch in allen deutschen Reiseführern Moskaus erwähnt werden, bis hin zu kunstvollen Stoffen und aktuellem Design.
Und es gibt eindrucksvolle Geschichten zu entdecken, etwa wie auch immer wieder Künstler zur Familie dazukamen und das bereicherten, was ein ganz besonders kreatives, künstlerisches Talent dieser Familie ist, dieser, wie es zurecht im Titel unserer heutigen Veranstaltung heißt, Künstler-Dynastie.