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Botschafter von Geyr anlässlich des 75. Jahrestags des Abschlusses der Nürnberger Prozesse
Botschafter von Geyr, © Deutsche Botschaft Moskau
Video-Grußwort für den vom DHI organisierten Runden Tisch zum Thema „Nürnberger Prozess: Geschichte, Justiz, Erinnerung“
Lieber Professor Tschubarjan,
Frau Dahlke,
sehr geehrte Damen und Herren,
zunächst herzlichen Dank für die Einladung, dass ich ein paar Worte zu Beginn Ihrer Konferenz sprechen kann. Daran liegt mir auch sehr, denn das heutige Thema ist überaus wichtig und ich will dazu sagen, als Botschafter, gerade im Deutschlandjahr hier in Russland, ist die Beschäftigung mit diesem schwierigen Thema mir ganz besonders wichtig.
Man könnte sagen, das Thema ist auf gewisse Art und Weise zeitlos. Es ist zwar ein historisches Thema, aber es wirkt in unsere Gegenwart und Zukunft hinein. In diesem Sinne ist es zeitlos. Es geht um menschlich kaum fassbare Verbrechen, es geht um deren juristische Aufarbeitung und es geht um den Blick nach vorne. Die Frage „Wie werden die Erkenntnisse weitergegeben?“ – damit stellt sich die Frage der Erinnerungskultur.
Ich habe in den vergangenen Tagen im Urteil des Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher gelesen. Dieses Urteil wurde ja vor ziemlich genau 75 Jahren verkündet.
Und auch nach der Lektüre dieses Textes sind mir 3-4 Aspekte besonders wichtig, die ich jetzt nochmal hervorheben möchte.
Die Darstellung der Gräuel, der Taten der Naziverbrecher in Nürnberg und danach waren, und sie sind es seitdem, überwältigend. Entscheidend ist, die Verbrechen wurden angeklagt, verhandelt und abgeurteilt. Es wurde Recht gesprochen in einem dokumentierten Prozess.
Und auch die Kategorisierung dieser Verbrechen in den Londoner Statuten ist einzigartig.
Die Kraft und Entschlossenheit des Tribunals, sich dann auch zu verständigen und gemeinsam Recht zu setzen, ist ein Markstein in der Rechtsgeschichte.
Entscheidend ist für mich: Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Verschwörung zu einem Angriffskrieg, Verbrechen gegen den Frieden – das alles ist seither justiziabel.
Für grausamste Verbrechen konnten seither nicht mehr Straffreiheit eingeklagt werden und zwar für die individuellen Täter.
Bundespräsident Steinmeier hat vor einem Jahr in einer Veranstaltung in Nürnberg, im Raum des Tribunals eine sehr eindrucksvolle Rede gehalten. Einer der Kernsätze daraus, die ich gefunden habe, endet mit der Bewertung, dass dieses Tribunal in Nürnberg „den Grundstein gesetzt hat für die Rechtsordnung einer neuen Welt.“
Viele Prozesse sind seit Nürnberg gefolgt. Noch heute laufen zu den Verbrechen dieser Zeit Prozesse, aktuell auch in Deutschland.
Es steht ein 101-jähriger vor Gericht. Ausgesagt haben viele, ausgesagt hat auch ein 101-jähriges Opfer vor einigen Tagen.
Aber auch wenn bald die Generation, die direkt betroffen war von diesem Schrecken, nicht mehr unter uns sein wird, muss die Erinnerung aufrechterhalten werden.
Deswegen ist das dritte Element im Titel ihrer Veranstaltung so wichtig: „Erinnerung“. Es muss über die Lehren gesprochen werden, und dass ist natürlich die Aufgabe von Historikern, Lehrern und die Politik muss dem Raum und Rahmen geben.
Wir sehen das in Deutschland als unsere Verantwortung – heute und auch morgen - damit es nie wieder so wird wie es mal war.
Dabei geht es natürlich auch um das „Wie“ der Erinnerung, um die Methodik, um die Offenlegung von Quellen, um den Zugang zu Quellen, um die Diskussionen von Quellen und um die Diskussion zu deren Interpretation – kurz: um die Wissenschaftlichkeit.
Ein Teil des „wie reflektiert wird“, „wie weitergegeben wird“, ist auch die gemeinsame Reflexion, die gemeinsame wissenschaftliche Erarbeitung über Grenzen hinweg.
Gerade im Deutsch-Russischen ist es ein großer Wert, wenn wir dies gemeinsam tun. Für uns Deutsche und Russen spielt dies, das gemeinsame Aufarbeiten, eine zentrale Rolle und es wird auch so bleiben.
Es ist wichtig, dass deutsche und russische Historiker im Dialog sind und bleiben, in einem offenen Dialog, auch und gerade in schwierigen Zeiten. Auch im Wägen von Einschätzungen zu schwierigen Themen.
Immer noch, Professor Tschubarjan, bleibt für mich das gemeinsame Geschichtsbuch vorbildhaft für diese Zusammenarbeit. Deshalb, ich habe es am Anfang gesagt, gerade im Deutschlandjahr, ist diese Diskussionsrunde so wichtig.
Ich bin dafür besonders dankbar. Vielen Dank.