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Ein deutsch-russisches Gemeinschaftsprojekt klärt das Schicksal von sowjetischen und deutschen Kriegsgefangenen und Internierten des Zweiten Weltkrieges
Übergabe von Daten im Rahmen des Projektes zur Klärung des Schicksals sowjetischer und deutscher Kriegsgefangener und Internierter des Zweiten Weltkriegs, © Deutsche Botschaft Moskau
Zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs werden in Moskau 20.000 Dokumentenkopien aus dem Deutschen Bundesarchiv übergeben.
Im Rahmen des deutsch-russischen Regierungsprojekts „Sowjetische und deutsche Kriegsgefangene und Internierte des Zweiten Weltkrieges“ werden erstmals 20.000 digitale Kopien von Unterlagen über sowjetische Kriegsgefangene aus dem deutschen Bundesarchiv an Russland übergeben.
Die feierliche Übergabe findet am 6. Mai um 14.00 Uhr im TASS-Pressezentrum in Moskau statt. An der Zeremonie nehmen auf deutscher Seite der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Géza Andreas von Geyr, die Leitung des Deutschen Historischen Instituts in Moskau, der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Wolfgang Schneiderhan, der Präsident des deutschen Bundesarchivs, Dr. Michael Hollmann (jeweils per Videogrußwort) teil. Von russischer Seite beteiligen sich der Sondervertreter des Präsidenten der Russischen Föderation für Internationale Kulturbeziehungen, Prof. Michail Schwydkoj, der Referent des Stellvertretenden Ministers für Verteidigung der Russischen Föderation, Generalmajor Alexander Kirilin, der Direktor des Russischen Staatlichen Militärarchivs, Wladimir Tarassow, der Stellvertretende Leiter der Föderalen Agentur für Archivwesen der Russischen Föderation, Andrej Jurassow, und der Präsident der Aktiengesellschaft „Elektronisches Archiv“ (ELAR), Sergej Balandjuk.
Aus Anlass der Datenübergabe veröffentlichte der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, Heiko Maas, ein Grußwort. Darin würdigte er die Übergabe im 75. Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges als ganz wesentlichen Beitrag zum Gedenken und gleichzeitig zur Versöhnung zwischen unseren beiden Ländern, zwischen Deutschen und Russen. Minister Maas erklärte:
Trotz des schmerzhaften Erbes des Zweiten Weltkrieges haben wir mit großer Demut gelernt, dass menschliche Versöhnung möglich ist. Dafür danke ich auch dem russischen Volk von Herzen.
Auch der Außenminister der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, veröffentlichte ein Grußwort zur Datenübergabe am 6. Mai.
Zum Projekt
Während des Zweiten Weltkriegs gerieten weit über fünf Millionen sowjetische Soldaten und Offiziere in deutsche Kriegsgefangenschaft. Mehr als drei Millionen fielen den unmenschlichen Bedingungen der Gefangenschaft zum Opfer oder wurden direkt ermordet. Der deutsche Umgang mit sowjetischen Kriegsgefangenen zählt zu den größten Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs. Dennoch hat die Geschichte der sowjetischen Kriegsgefangenen lange Zeit nicht die gebührende Beachtung gefunden. Viele Opfer blieben anonym.
Am 22. Juni 2016, dem 75. Jahrestag des Überfalls des nationalsozialistischen Deutschlands auf die Sowjetunion, wurde durch eine gemeinsame Erklärung des damaligen Bundesaußenministers Frank-Walter Steinmeier und des Russischen Außenministers Sergej Lawrow das Regierungsprojekt „Recherche und Digitalisierung noch nicht erschlossener Daten zur Schicksalsklärung sowjetischer und deutscher Kriegsgefangener und Internierter des Zweiten Weltkrieges“ ins Leben gerufen. Das deutsch-russische Gemeinschaftsvorhaben hat zum Ziel, individuelle Schicksale zu klären und die entsprechenden Dokumente und Daten für Angehörige, die historische Forschung sowie die Gedenkarbeit zugänglich zu machen. Dafür werden Quellen in deutschen, russischen und internationalen Archiven bearbeitet.
Träger des Projekts auf deutscher Seite ist der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., der das Projekt im Auftrag des Auswärtigen Amtes koordiniert. Das Deutsche Historische Institut in Moskau, ein Institut der Max Weber Stiftung, führt die Arbeiten in Kooperation mit den russischen Partnern in allen Archiven durch. Das Bundesarchiv ist für die Verwaltung der im Rahmen des Projekts erhobenen Dokumente und Daten zu sowjetischen Gefangenen in einer Datenbank in Deutschland sowie die Erteilung von Auskünften zu sowjetischen Gefangenen zuständig. Die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg betreut in Absprache mit dem Bundesarchiv die Projektdaten in der Online-Datenbank „Memorial Archives“.
Auf russischer Seite ist die „Abteilung für die Wahrung des Andenkens an die gefallenen Vaterlandsverteidiger“ im Russischen Verteidigungsministerium Projektträger. Zu den Projektpartnern gehören die Föderale Archivverwaltung, das Staatliche Militärarchiv und die ELAR AG. Sie betreibt die russische Datenbank OBD „Memorial“, die die Daten und Dokumente bereitstellt.
Mit der Übergabe am 6. Mai 2020 von ca. 20.000 digitalen Dokumenten werden Daten aus dem Deutschen Bundesarchiv zugänglich gemacht, die bisher in Russland nicht vorhanden waren. Sie wurden von deutschen und russischen Wissenschaftlern gemeinsam erschlossen. Es handelt sich um Unterlagen der ehemaligen Wehrmachtauskunftsstelle (WASt) bzw. der Deutschen Dienststelle zu sowjetischen Kriegsgefangenen, die in deutschem Gewahrsam verstorben sind, Krankenunterlagen (Röntgenbilder, Fieberkurven), persönliche Dokumente von Gefangenen, Militärausweise und Personalkarten. Mit der Übergabe der Unterlagen wird es möglich sein, Schicksale sowjetischer Kriegsgefangener zu klären, ihnen Namen und Biografien zurückzugeben.
Weitere Übergaben werden folgen. Angesichts der großen Zahl von sowjetischen Soldaten und Offizieren, die während des Zweiten Weltkriegs in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten waren und der Tatsache, dass häufig mehrere Akten pro Person angelegt wurden, ist zu erwarten, dass mehrere Millionen personenbezogener Dokumente im Rahmen des Projektes erschlossen werden können.