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Grußwort von Botschafter von Geyr zum Moskauer Gespräch „Was geschah vor 80 Jahren? – Erinnern und Erinnerung als Zukunftsgestaltung in Europa“
Grußwort von Botschafter von Geyr zum Moskauer Gespräch „Was geschah vor 80 Jahren? – Erinnern und Erinnerung als Zukunftsgestaltung in Europa“
Добрый вечер,
Guten Abend,
vielen herzlichen Dank für die Einladung, hier einleitend ein paar Bemerkungen machen zu dürfen. Ich begrüße alle, die an diesem sehr interessant zusammengesetzten Panel teilnehmen werden und auch alle Zuhörerinnen und Zuhörer.
Gestatten Sie, dass ich vorneweg ein paar Bemerkungen mache. Ich tue das sehr gerne als deutscher Botschafter und ein kleines bisschen auch, da kann ich nicht anders, als Historiker, der natürlich an diesem Thema ein ganz besonderes Interesse hat: Was geschah vor 80 Jahren? – Erinnern und Erinnerung als Zukunftsgestaltung in Europa.
Ich wollte mich zunächst einmal bedanken bei denjenigen, die den Titel so gewählt haben wie er gewählt ist. Ich halte ihn für nicht nur klug, sondern ganz besonders wichtig. Es ist ein kluger guter Titel für die Veranstaltung, nicht nur für diese Veranstaltung, sondern einfach für das gemeinsame Reflektieren von Geschichte, gerade auch dieses doch sehr wichtigen Themas „80. Jahrestag“. Es wurde gerade schon darauf hingewiesen, wir hier in Moskau sind auch natürlich noch unter dem Eindruck der Feierlichkeiten zum 09. Mai vor wenigen Tagen, wir werden dann am 22. Juni 80. Jahre Überfall Nazideutschlands auf die damalige Sowjetunion gedenken und, das will ich noch dazusagen, wir haben in diesem Herbst den 75. Jahrestag der Urteile gegen die Hauptkriegsverbrecher von Nürnberg. Das ist, glaube ich, auch noch ein Datum, das es wert ist, erwähnt zu werden, wenn wir den größeren Bogen ziehen durch dieses Jahr hindurch, was Erinnerungskultur anbelangt.
Der 2. Weltkrieg ist in unzähligen Details erforscht, trotzdem bleibt vieles kaum verständlich, wegen der einzigartigen Dimension des Leides der unermesslichen Opfer und vor allem natürlich die Völker der damaligen Sowjetunion haben diese Opfer tragen müssen. Deswegen ist diese Beschäftigung mit dem Thema so wichtig.
Ich würde gerne einige wenige Bemerkungen machen. Zunächst mal zum 1. Teil der Fragestellung „WAS GESCHAH“. Meine Bemerkung ist, dass wir weiterhin festhalten müssen an dem Prinzip aus Quellen, die Fakten darzustellen, auch wenn es schmerzt. Der Überfall war ein Überfall der damaligen Wehrmacht auf die damalige Sowjetunion. Da kann und wird nichts relativiert werden, das gilt auch für unsere Verantwortung.
Ich will damit aber zu einem 2. Punkt kommen, die Aufgabe Erinnerung weiterzugeben. Es ist angesprochen worden, die Erlebnisgeneration prägt natürlich ein ungeheures Maß an Erinnerung, aber wir müssen es auch von Generation zu Generation weitergeben wollen und weitergeben können. Daran muss man arbeiten. Bei diesem Thema des 2. Weltkrieges wird die Aufgabe, Erinnerung weiterzugeben, nicht enden. Ich habe ein schönes Zitat gefunden von Prof. Fleckenstein, Historiker, der sagt: „Erinnern – bewahren – Erinnerung fruchtbar machen: nichts anderes ist das Geschäft des Historikers“, und es geht um die, ich sage es jetzt mal mit meinen Worten, um die beständige Reflektion, dass wir in eine moderne Art der Erinnerungskultur hineinkommen.
Eine weitere Bemerkung zu dem, was im Titel so schön auch „Zukunftsgestaltung“ heißt und das sich auch natürlich zusammenfinden muss mit dem Begriff „Lehren ziehen“ aus diesem, ich sag es jetzt als Deutscher, Abgrund unserer Geschichte.
Wenn ich die Lehren in einem Satz zusammenfassen müsste, dann würde ich sagen, die wesentliche Lehre findet sich in Artikel 1 des Grundgesetzes. Da heißt es „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und das ist die Kernaufgabe auch aller deutscher Politik seither, weil es eben in Artikel 1 des Grundgesetzes so wunderbar festgehalten ist.
Gerade in der Reflektion auf die furchtbare Zeit vorher, heißt heute für mich auch, dass man nicht wegschauen darf und nicht schweigen kann, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden, egal, wo auf der Welt, bei uns oder woanders.
Eine nächste Bemerkung „ERINNERUNGSARBEIT ALS ZUKUNFTSGESTALTUNG“.
Hier nur auch eine Anregung, wenn ich die geben darf. Es wird immer noch sehr viel national reflektiert, national nachgedacht, nationale Geschichte geschrieben. Es ist schön, wenn das gemeinsam geschehen kann, über Grenzen hinweg. Wir haben im deutsch-russischen einen Schatz, das ist ein deutsch-russisches Geschichtsbuch in drei Bänden, das geschafft worden ist vor einigen Jahren. Ich glaube, man kann es gar nicht hoch bewerten und gerade jetzt ist es wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass man sich zusammensetzt, gemeinsam durch Archive geht, diese öffnet, gemeinsam reflektiert, gemeinsam Schlüsse zieht und versucht, auch gemeinsam diese Erinnerung zu gestalten. Man muss nicht in jeder Interpretation übereinstimmen, aber diesen Ansatz des Gemeinsamen will ich in den Vordergrund stellen und die Anregung, die ich machen möchte, ist, dass man gemeinsam reflektiert, wie weit man kommen könnte mit einer, ich sag mal, europäischen Geschichtsbetrachtung, denn gerade dieses Thema hat doch einen enormen europäischen Charakter. Ich glaube auch, die europäische Integrationsleistung nach dem 2. Weltkrieg ist es wert, über diese schwierige Zeit davor auch gemeinsam europäisch nachzudenken.
Das ist ein unglaublich dickes Brett zu bohren, aber der Ansatz, der Weg ist, glaub ich, einer, der es wert ist.
Noch eine Bemerkung zum Thema „Zukunftsgestaltung“, und das ist der weite Blick nach vorne. Aus dieser Kenntnis der Geschichte Zukunft zu gestalten, heißt für mich auch, eben weit nach vorne zu schauen in unsere, und das ist nun mal so, globalisierte und vernetzte Welt, in der das Miteinander auch über die Grenzen hinweg und vor allem auch über die Kontinente hinweg ganz entscheidend sein wird für die Zukunft. Gerade auch unsere jungen Generationen. Dieses Miteinander schließt eigentlich ein Denken in Einflussgebieten geographischer Art aus. Und es schließt ein Denken aus, das teilweise, vielleicht sogar gerne, weil es einfacher ist, oder weil man es gewohnt ist, in Instrumente des vergangenen Jahrhunderts zurückgreift. Hier müssen wir, auch diejenigen, die reflektieren über Geschichte, versuchen, diese Gemeinsamkeit in den Vordergrund zu stellen und die, ich sag mal, Zukunftsgewandheit des Miteinanders.
Wenn wir uns da bemühen, glaub ich, sind diese Diskussionen viel wert.
Ich danke nochmal für die Gelegenheit, mit diesen Gedanken Ihren Abend mit einläuten zu dürfen.