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„Grundlagen für einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine“ - Rede von Außenministerin Annalena Baerbock bei der VN-Generalversammlung in New York

Außenministerin Baerbock spricht in der Notstandssondertagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen

Außenministerin Baerbock spricht in der Notstandssondertagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen, © Florian Gaertner/photothek.de

24.02.2023 - Rede

Rede von Außenministerin Annalena Baerbock bei der VN-Generalversammlung in New York

45 Sekunden. 45 Sekunden, um die eigene Großmutter in Sicherheit zu bringen. 45 Sekunden, um es in den Keller zu schaffen. 45 Sekunden. So lange dauert es nach dem Ertönen der Sirenen, bis die Raketen aus Russland in der Stadt Charkiw einschlagen. Ich habe in Charkiw im Osten der Ukraine Teenager kennengelernt, für die es fester Teil ihres Alltags geworden ist, bis 45 zu zählen. Teenager, Großmütter, Väter, die sich nichts sehnlicher wünschen als ein Ende dieses Krieges. Als Frieden.

Russlands Angriffskrieg hat nicht nur entsetzliches Leid über die Menschen in der Ukraine gebracht. Dieser Krieg hat überall auf der Welt tiefe Wunden geschlagen. Familien auf allen Kontinenten kommen wegen steigender Lebensmittel- und Energiepreise nicht mehr über die Runden.

Ich glaube, sie alle – und die meisten von uns hier – sind sich über eine ganz einfache Sache einig: Wir wollen, dass dieses Leid endet. In der Ukraine. Und überall auf der Welt. Wir wollen, dass dieser Krieg endet. Wir wollen Frieden.

Und das Gute ist: Ein Friedensplan liegt uns bereits vor. Es ist die Charta der Vereinten Nationen.

Ihre Grundsätze, die für jeden Staat gelten, sind ganz einfach: Souveräne Gleichheit. Territoriale Unversehrtheit. Und das Unterlassen der Anwendung von Gewalt.

Und deshalb ist auch der Weg hin zu Frieden ganz klar:

Russland muss seine Truppen aus der Ukraine abziehen. Russland muss die Bombardierungen einstellen. Russland muss zur Charta der Vereinten Nationen zurückkehren.

Jede und jeder Einzelne hier hat heute die Möglichkeit, einen Beitrag zu diesem Friedensplan zu leisten. Indem wir dem Aggressor sagen, er soll aufhören. Indem wir deutlich machen, dass es sich nicht um Frieden handelt, wenn der Aggressor seinem Opfer vorschlägt, einfach aufzugeben. Dass es sich nicht um Frieden handelt, wenn der Aggressor für seine skrupellose Gewalt noch belohnt wird.

Das würde dem grundlegenden Wesen der VN-Charta widersprechen. Es würde nicht Frieden bedeuten, sondern mehr Gewalt.

Deshalb unterstützen wir die Ukraine in ihrem Recht zur Selbstverteidigung, wie es in Artikel 51 der VN-Charta verankert ist.

Einige von Ihnen haben gerade gesagt, dass wir mit der Bewaffnung der Ukraine Öl ins Feuer gießen. Lassen Sie mich eine Frage stellen: Ganz ehrlich, warum um alles in der Welt sollten wir das wollen? Wir wollten diesen Krieg nicht. Wir haben uns diesen Krieg nicht ausgesucht. Auch wir würden lieber all unsere Energie und unser Geld darauf verwenden, unsere Schulen zu renovieren, die Klimakrise zu bewältigen und soziale Gerechtigkeit zu stärken.

Doch die Wahrheit ist: Wenn Russland aufhört zu kämpfen, dann bedeutet das das Ende dieses Krieges. Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, dann bedeutet das das Ende der Ukraine.

Das menschliche Leid würde weitergehen: Verschleppung, Vergewaltigung, Folter. Kinder würden weiterhin jeden Tag bis 45 zählen, um ihr Leben zu retten. Die Verwüstung, die dieser Krieg weltweit anrichtet, würde weitergehen: Inflation, Energieknappheit, Hunger.

Deshalb geht es bei dieser Abstimmung heute um unser aller Zukunft. Heute muss sich jede und jeder Einzelne von uns entscheiden:

Isoliert an der Seite des Unterdrückers stehen – oder sich vereint auf die Seite des Friedens zu stellen. Zu schweigen – oder unsere Charta der Vereinten Nationen zu schützen. Damit die Charta uns beschützen kann.

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