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„Die Krise hat gezeigt, wozu Deutschland in der Lage ist“

Bundeskanzler Olaf Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz, © picture alliance/dpa | Michael Kappeler

05.02.2023 - Interview

Auszüge aus dem Interview von Bundeskanzler Olaf Scholz mit der Bild am Sonntag

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Großbritanniens Ex-Premier Boris Johnson hat erzählt, dass Putin ihm persönlich am Telefon gedroht hätte. Hat Putin so etwas auch zu Ihnen gesagt?

Nein, Putin hat weder mir gedroht noch Deutschland. In unseren Telefonaten werden unsere sehr unterschiedlichen Standpunkte auf den Krieg in der Ukraine sehr klar. Ich mache Putin sehr deutlich, dass Russland die alleinige Verantwortung für den Krieg hat. Grundlos hat Russland sein Nachbarland überfallen, um sich Teile der Ukraine oder das ganze Land unter den Nagel zu reißen. Das können wir nicht einfach so hinnehmen, denn es verstößt fundamental gegen die europäische Friedensordnung. Deshalb unterstützen wir die Ukraine finanziell und humanitär, und auch mit Waffen.

Putin behauptet, dass „wieder deutsche Panzer“ Russland bedrohen würden. Steigt durch die Lieferung von Leopard-2-Panzern die Gefahr für Deutschland?

Seine Worte stehen in einer Reihe abstruser historischer Vergleiche, die er nutzt, um seinen Angriff auf die Ukraine zu rechtfertigen. Dieser Krieg ist aber durch nichts zu rechtfertigen. Russland führt einen erbarmungslosen Krieg gegen die Ukraine. Gemeinsam mit unseren Verbündeten geben wir Kampfpanzer an die Ukraine ab, damit die sich verteidigen kann. Jede Waffenlieferung haben wir sorgfältig abgewogen, eng mit unseren Verbündeten koordiniert, allen voran mit Amerika. Dieses gemeinsame Vorgehen verhindert eine Eskalation des Krieges.

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Wie steht eigentlich Deutschland jetzt, ein Jahr nach Kriegsbeginn, da?

Unser Land ist deutlich besser durch diese schwierige Zeit gekommen als viele befürchtet haben. Ich erinnere mich an manches Horrorszenario, das zu lesen war: Von einem Wutwinter mit Massenprotesten, von kalten Wohnungen und frierenden Menschen in Deutschland, von einer Wirtschaftskrise ungeahnten Ausmaßes. Die gute Nachricht ist: All das ist nicht eingetreten. Die Bundesregierung hat sich mit viel Kraft entschlossen gegen die drohende Krise gestemmt – und sie abgewendet. Wir haben Hilfspakete mit einem Volumen von 300 Milliarden Euro geschnürt, damit Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger mit den hohen Gas- und Strompreisen zurecht kommen könne, haben neue LNG-Terminals an den norddeutschen Küsten in Rekordzeit gebaut und neue Lieferverträge geschlossen, nachdem Russland seine Gaslieferungen eingestellt hatte. Die Krise hat gezeigt, wozu Deutschland in der Lage ist.

Geben Sie auch für den kommenden Winter Entwarnung?

Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, bin ich zuversichtlich, was den nächsten Winter betrifft. Wir werden jetzt aber den Schwung der vergangenen Monate nutzen, das Deutschland-Tempo, um beim Ausbau von Windkraft und Solarenergie richtig voranzukommen, damit wir weniger abhängig werden vom Import von fossilem Gas, Kohle oder Erdöl.

© 2023 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

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