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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einer Videobotschaft bei der Verleihung des Sonderpreises des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen für besonderen Einsatz für die Zivilgesellschaft an Memorial International

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, © 2022 Bundespräsidialamt

29.09.2022 - Rede

am 29. September 2022 in Leipzig

Einen schönen guten Abend nach Leipzig! Ich grüße Sie aus Schloss Bellevue und gratuliere Memorial International sehr herzlich zum Sonderpreis des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen.

Diese Zeit ist wahrlich keine Zeit zum Feste feiern. Und wir wissen auch: Ein Preis und einige freundliche Worte machen diese dunkle Zeit kaum heller und lindern schon gar nicht das Unrecht, das von Russland ausgeht. Aber dennoch: Diese Auszeichnung ist gut und richtig. Sie ist Anerkennung für Ihre schwierige und mutige Arbeit, die Sie seit vielen Jahren leisten. Und es passt sehr gut, dass Sie diesen Preis heute in Leipzig entgegennehmen, in der Stadt, die in der Friedlichen Revolution in Ostdeutschland eine so wichtige Rolle gespielt hat.

Seit 1989 kämpft Memorial für aufrichtige Erinnerung und gegen das Vergessen. Ihre Vereinigung fördert die Aufarbeitung der sowjetischen Geschichte, sie klärt über staatliche Gewalt und politische Unterdrückung auf, und sie setzt sich unermüdlich für Demokratie und Menschenrechte ein.

Wie unendlich wichtig dieses Engagement ist und wie zerbrechlich gleichzeitig, das zeigt sich mehr denn je seit dem russischen Überfall auf die Ukraine. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands bringt Tod, Zerstörung und entsetzliches Leid über die Menschen in der Ukraine. Wir erleben einen brutalen Feldzug gegen Menschenrechte, Freiheit und Demokratie. Und wir erleben, wie die Machthaber in Moskau die Geschichte zur Waffe schmieden, wie Putin falsche Mythen verbreitet, um seinen imperialen Wahn zu begründen und Krieg und Gewalt zu rechtfertigen.

Mir waren Gespräche mit Repräsentanten von Memorial, die wir zu unterschiedlichen Gelegenheiten hatten, sehr wichtig. Und ich erinnere mich noch gut, liebe Frau Scherbakowa, an meinen Besuch bei Memorial in Ihrem Büro in Moskau. Nicht erst seit dieser Zeit sind Sie immer wieder Angriffen und Unterdrückung ausgesetzt, die Ihre Stimme zum Schweigen bringen sollen. Denn Sie prangern nicht nur Unrecht und Gewalt der sowjetischen Vergangenheit an, sondern Sie halten auch all jenen einen Spiegel vor, die heute darin ihren verräterischen Spuren der Vergangenheit begegnen und diese verwischen wollen. Ihr Spiegel der Wahrheit ist ein Spiegel, in dem sich Putin wiedererkennt und der ihm Angst macht – und der ihn deswegen dazu gebracht hat, alles Erdenkliche zu veranlassen, um Memorial aus der russischen Öffentlichkeit auszuschließen. Dass russische Gerichte Ihre Organisation zwei Monate vor dem Angriff auf die Ukraine verboten haben, ist sicherlich kein Zufall.

Aber, meine Damen und Herren: Die russische Staatsmacht kann Gebäude schließen und Organisationen verbieten, den Geist von Memorial kann sie nicht besiegen! Die Radikalisierung der russischen Politik hat Sie und Ihre Mitstreiter umso entschlossener gemacht. Und es ist gut und wichtig, dass Sie Ihre Arbeit nun außerhalb Russlands fortführen, auch hier bei uns in Deutschland! Sie zeigen, dass es ein anderes Russland gibt als das, was Putin verkörpert.

Natürlich: Dieser Krieg ist nicht allein Putins Krieg. Millionen Menschen in Russland tragen und unterstützen diesen verbrecherischen Krieg mit – ob laut oder schweigend, ob aus Zwang oder Überzeugung, aus welchen Gründen auch immer. Aber wahr ist auch: Es gibt die Mutigen, die Aufrichtigen, die Widerspenstigen – und sie verdienen unsere Unterstützung, unsere Ermutigung, und auch unseren Schutz. Und sie machen uns bewusst, dass wir alle etwas tun können und müssen, um aggressiven und autoritären Kräften Einhalt zu gebieten!

Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Memorial gilt heute mein herzlicher Dank. Sie machen Hoffnung, dass es gelingen kann, aggressiven Nationalismus und imperialistischen Größenwahn zu überwinden. Und Sie machen vielen Menschen Mut, selber aufzustehen und ihre Stimme zu erheben gegen Unrecht, Gewalt und Unterdrückung!

Mein Dank gilt auch dem Bundesverband Deutscher Stiftungen, der mit dieser Auszeichnung ein klares Zeichen der Solidarität für die russische Zivilgesellschaft setzt. Und ich freue mich, dass die Körber-Stiftung, die Robert-Bosch-Stiftung und die Software-AG-Stiftung einen Fonds ins Leben gerufen haben, der Memorial beim Ausbau von Exilstrukturen in der Europäischen Union unterstützen soll.

Liebe Frau Zhemkova, liebe Frau Scherbakowa, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Memorial, Ihr Engagement ist heute wichtiger denn je. Und Deutschland steht fest an Ihrer Seite. Lassen Sie uns gemeinsam streiten für Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Ich wünsche Ihnen viel Kraft für den so schweren, so wichtigen Weg, der vor Ihnen liegt.

Herzlichen Glückwunsch und großen Dank!

Sehen Sie hier die Video-Grußbotschaft des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier


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