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Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, Ministerpräsident Wüst und der Regierenden Bürgermeisterin Giffey nach den Beratungen des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder

07.04.2022 - Rede

Wir haben heute sehr gut, sehr lange und sehr gut vorbereitet beraten. Schon bei der letzten Zusammenkunft der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit mir war es so, dass wir uns fest vorgenommen haben, dass wir es anders als bei anderen Gelegenheiten in früheren Jahren zustande bringen wollen, dass eine große gemeinsam Herausforderung auch gemeinsam geschultert wird, dass wir konstruktiv miteinander diskutieren, dass wir gemeinsam Lösungen präsentieren und dass wir bei dieser Gelegenheit nicht einen großen öffentlichen Streit über die notwendigen finanziellen Regelungen bei dieser Gelegenheit austragen. Das ist gelungen. Wir haben jetzt sehr präzise, sehr weitreichende und, wie ich finde, auch sehr gute und tragfähige Lösungen für die Herausforderungen gefunden, die mit der Fluchtmigration aus der Ukraine verbunden sind.

Bevor ich dazu komme, würde ich gerne ein paar Bemerkungen zum Krieg machen, den Russland gegen die Ukraine führt, einem Angriffskrieg mit, wie wir wissen, dramatischen, furchtbaren Zerstörungen im Land und mit unglaublich vielen Toten, die wir bisher schon verzeichnen können, natürlich mit Millionen Menschen, die im Land und aus dem Land auf der Flucht sind, und auch mit kriegerischen Handlungen, die Kriegsverbrechen sind und die nicht toleriert werden dürfen. Deshalb sind wir alle einig: Dieser Krieg muss sofort beendet werden, es muss ein Waffenstillstand her, und Russland muss seine Truppen aus der Ukraine zurückziehen. Gleichzeitig werden wir alles dafür tun, dass die Kriegsverbrechen, die wir gesehen haben und die wir noch sehen werden, aufgeklärt werden. Wir werden unsererseits aktiv, aber auch zusammen mit allen anderen international zuständigen Organisationen dafür Sorge tragen, dass die Kriegsverbrechen aufgeklärt werden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Dieser furchtbare Krieg hat Konsequenzen, die in Europa und auch in unserem Land zu spüren sind. Deshalb ist es richtig, dass wir uns mit diesen auch beschäftigen. Aber klar ist, dass wir auch unsererseits alles tun, was notwendig ist, um ihn zu beenden. Das geschieht mit den militärischen und finanziellen Hilfen, die wir für die Ukraine bereitstellen. Das geschieht mit den sehr harten und präzisen Sanktionen, die wir lange vor dem Kriegsbeginn vorbereitet hatten und jetzt regelmäßig verschärfen.

Aktuell hat es weitere Entscheidungen gegeben, die in Brüssel getroffen worden sind und an denen wir uns aktiv beteiligt haben, nämlich für das fünfte Sanktionspaket, in dem insbesondere im Finanzbereich weitere Präzisierungen vorgenommen worden sind, aber auch festgelegt worden ist, dass der Import von Kohle schnell reduziert wird, indem in einer Übergangsphase die entsprechenden Lieferverträge beendet und durch neue mit anderen Ländern als Russland ersetzt werden. Das ist ein großer, entscheidender weiterer Schritt, der zusammen mit all den anderen Maßnahmen, die bisher ergriffen worden sind, dazu beitragen wird, dass klar ist: Russland und der russische Präsident zerstören nicht nur die Ukraine mit dem Krieg, den sie dort anrichten, sondern sie zerstören auch die Zukunft des eigenen Landes. Es ist ein harter Druck, den wir entfalten, um den russischen Präsidenten dazu zu bewegen, diesen Krieg zu beenden.

Für uns in Deutschland bedeutet das natürlich zuallererst, dass wir uns mit den wirtschaftlichen Folgen auseinandersetzen müssen. Das haben wir lange und sorgfältig getan. Gerade in dieser Woche hat die Regierung weitreichende Entscheidungen getroffen, was die langfristige Unabhängigkeit vom Import fossiler Ressourcen betrifft, und diese Entscheidungen sind in viele einzelne Entscheidungen darüber eingebettet, wie wir schnell und unverzüglich unsere Unabhängigkeit von den Importen aus Russland sicherstellen können. Das gilt ‑ wir sind schon lange dabei ‑ für die Kohle und die entsprechenden Lieferverträge, das gilt für Öl, aber das gilt natürlich auch für Gas, hinsichtlich dessen wir allerdings eine erhebliche Menge an infrastrukturellen Voraussetzungen schaffen müssen, damit wir Gas aus anderen Ländern in ausreichender Menge importieren können.

Deshalb hat die Regierung auch entschieden, dass wir entsprechende Flüssiggasterminals an den norddeutschen Küsten zusammen mit Betreibern, die daran auch aktiv arbeiten, errichten werden und dass wir die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen werden, dass das in außerordentlicher Geschwindigkeit geschieht. Weil wir früh mit unseren Beratungen zu diesem Thema angefangen haben ‑ schon im Dezember, im Januar und Februar ‑, konnten wir schnell handeln. Wir haben uns frühzeitig die technischen Möglichkeiten gesichert, und zwar mit Schiffen, die für die Regasifizierung von Flüssiggas als Terminalunterstützung an den deutschen Küsten eingesetzt werden können, aber auch mit den entsprechenden Baumaßnahmen, Bauplänen und -projekten, die wir vorantreiben. Deshalb werden wir alles dafür tun, dass wir viel schneller fertig werden, als man normalerweise annehmen müsste und als wahrscheinlich andere kalkuliert haben.

Für die jetzige Zeit haben wir auch mit einer erheblichen Menge an Entlastungspaketen dafür gesorgt ‑ zwei ganz großen, die wir auf den Weg gebracht haben ‑, dass die finanziellen Folgen für die Bürgerinnen und Bürger abgemildert werden. Es sind immerhin zwei große Entlastungspakete in Höhe von jeweils 15 Milliarden Euro. Im Zusammenhang mit unseren ohnehin bestehenden Energiewendeplänen haben wir dafür Sorge getragen, dass die EEG-Umlage ab dem Sommer dieses Jahres die Stromrechnung nicht mehr belastet.

Heute war ein großes Thema die Frage, wie wir mit der Herausforderung umgehen, die aus der Fluchtmigration entsteht, nämlich dass viele Ukrainerinnen und Ukraine Schutz in Deutschland suchen, in vielen Ländern Europas, aber eben auch in unserem Land. Es sind schon mehr als 300 000, die hierhergekommen sind, vorwiegend Kinder, ihre Mütter und ältere Personen, auch viele Menschen mit Behinderung. Wir haben uns dieser Gesamtverantwortung im Gespräch mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten sehr sorgfältig gewidmet und uns gemeinsam darauf verständigt, wie wir das praktisch schultern wollen, aber auch, wie wir die finanziellen Herausforderungen gemeinsam schultern. Das geschieht, indem wir eine sehr weitreichende Entscheidung treffen: Ab dem 1. Juni dieses Jahres soll es so sein, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine, die Vertriebenen, nach den Regelungen für Arbeitssuchende bzw. bei Älteren nach den Regelungen für Menschen im Rentenalter wegen Alters oder wegen einer Erwerbsminderung eine Grundsicherung beziehen können. Das ist auch folgerichtig. Wer sich in anderen Fluchtfällen nach Deutschland begibt und einen Asylantrag gestellt, der kommt, wenn er anerkannt wird und ein Aufenthaltsrecht erworben hat, dann in diesen Regelkreis, und das ist hier ja ohnehin der Fall. Das Aufenthaltsrecht existiert, und deshalb ist das auch der richtige Regelkreis, um die Integration und den Aufenthalt hier zu ermöglichen.

Das ist auch deshalb richtig, weil er eine ganze Reihe weiterer konkreter Konsequenzen mit sich bringt, die uns wichtig sind, zum Beispiel die Integration in Arbeit. Die Jobcenter sind zum Beispiel die Institutionen in Deutschland, die das machen. Es ist also nicht nötig, eine Parallelbürokratie zu einer funktionierenden Institution aufzubauen, die sich mit Arbeitsvermittlung auskennt und die dafür notwendige Professionalität besitzt.

Es ist im Hinblick auf die Kosten, die bei der Frage der Krankheit von diesen Frauen, Männern und Kindern entstehen, ebenfalls richtig, dass das heute über Gemeindeetats finanziert wird, was im Einzelfall bei sehr kleinen Gemeinden im Falle von hohen Krankheitskosten auch eine dramatische Belastung mit sich bringen kann. Durch die jetzige Entscheidung, dass das über die Grundsicherung für Arbeitssuchende, für Menschen im Alter oder für Menschen mit Erwerbsminderung geregelt werden soll, ist klar, dass das etwas ist, das eine größere Solidargemeinschaft trägt und das deshalb auch für alle geschultert werden kann.

Gleiches gilt für die Regelungen für die Kosten der Unterkunft, die ja auch finanziert werden müssen; dabei gibt es ein bewährtes Regime, das dann auch in diesem Fall gilt, von denen der Bund durch die Neuregelung, die wir während der Coronakrise getroffen haben, ohnehin einen erheblich höheren Teil übernimmt, den größten sogar.

Trotzdem sind mit diesen Entscheidungen natürlich nicht alle finanziellen Belastungen abgegolten, die sich bei Ländern, bei den Gemeinden in unserem Land, bei den Städten und bei den Landkreisen im Hinblick auf die Integration und die Beteiligung an unserem gemeinsamen Leben auftun. Deshalb werden wir den Ländern für dieses Jahr pauschal 2 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, wovon 500 Millionen Euro für die Kommunen gedacht sind, um ihre zusätzlichen Kosten für die Unterkunftsfinanzierung abzusichern, die nicht bereits durch die Grundsicherung für Arbeitssuchende abgedeckt sind. Das Gleiche gilt im Hinblick auf die Kosten, die bisher bei Ländern und Gemeinden für diejenigen angefallen sind, die schon seit März hier sind und in den nächsten Tagen kommen werden; denn unsere neue Regelung gilt ja erst ab dem 1. Juni, und die Zeit bis dahin soll gemeinsam geschultert werden. Das gilt auch im Hinblick auf die Integrationsleistungen, die jetzt überall notwendig sind, wenn es etwa um Kitas geht, wenn es um Schulen geht, wenn es um Sprachkurse geht und wenn all das gut gelöst werden soll, was jetzt an Aufgaben auf die Gemeinden, auf die Städte, auf die Landkreise und auf die Länder zukommt.

Mit diesem Schulterschluss und mit dieser Regelung haben wir eine Perspektive vereinbart. Wir werden damit eine Regelung treffen, die wir uns genau anschauen werden, spätestens im November dieses Jahres, und zwar im Hinblick auf den Verlauf und die Flüchtlingszahlen, die sich dann konkret ergeben haben werden, aber auch im Hinblick auf das Jahr 2023. Wir haben damit die Grundlage dafür geschaffen, dass unser Land langfristig zusammenstehen kann und sich auf die konkrete Aufgabe der Hilfeleistung für die Integration konzentrieren kann, anstatt institutionell miteinander zu streiten.

Ich will ausdrücklich sagen, dass das für mich etwas ganz Besonderes ist, das mich auch sehr bewegt; denn ich war 2015/2016 als Regierungschef eines der Länder dabei, als über die Frage, wie wir diese Fragen gemeinsam lösen, auch diskutiert worden ist. Das war ein ganz anderer Zustand, der sich über sehr lange Zeit hingezogen hat und in dem eigentlich auch mit Härte die anderen Gebietskörperschaften bzw. die anderen Einheiten unseres Landes beschimpft wurden, um eigene Interessen wahren zu können. Das alles haben wir jetzt vermieden, indem wir eine schnelle, zügige und gemeinsame Regelung gefunden haben. Das finde ich sehr gut, und das ist vorbildlich für das, was wir auch für die nächste Zeit gemeinsam zu bewältigen haben.

In diesem Sinne ist das eine gute Beratung mit einem schnellen, zügigen Ergebnis gewesen und gleich am Anfang eine Herausforderung, auf die wir uns jetzt ganz konzentrieren können.

© Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA)

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