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Videobotschaft von Außenministerin Annalena Baerbock für die 49. Tagung des Menschen­rechtsrats

03.03.2022 - Rede

(voraufgezeichnet)

Mitten in Europa suchen Mütter in Schutzräumen Zuflucht, voller Angst um das Leben ihrer Kinder. Hunderttausende Menschen müssen fliehen, suchen Sicherheit fernab ihrer Heimat.

Russlands Invasion der Ukraine ist ein Angriff auf das ukrainische Volk: auf seine Freiheit und auf seine Grundrechte. Sie ist auch ein Angriff auf die Charta der Vereinten Nationen.

Es geht hier um nichts Geringeres als um gravierendste Verletzungen der Menschenrechte: das Recht auf Leben und das Recht des ukrainischen Volkes, sein Schicksal selbst zu bestimmen.

Menschenrechte sind grundlegend für unsere Existenz – und wenn sie versagt werden, sind wir in unserer Existenz bedroht.

Das gilt für die Mütter in Kiew. Das gilt für Aktivistinnen und Aktivisten von Organisationen wie Memorial in Moskau, für mutige Männer wie Alexej Nawalny, deren Stimmen zum Schweigen gebracht werden sollen. Das gilt für die Demonstrierenden, die in Russland gegen Putins Krieg auf die Straße gehen.

Und das gilt für alle Menschen weltweit, die aufgrund ihrer Überzeugungen unter Diskriminierung leiden.

Unsere Rechte berühren das, was das Wesen unseres Menschseins ausmacht.

Deshalb müssen Menschenrechte auch im Zentrum unseres politischen Handelns stehen. Ich sage dies in einer Zeit, in der die Menschenrechte weltweit unter Druck geraten. Russlands Aggression unterstreicht dies nur allzu deutlich. Wir müssen diesem Angriff entgegentreten.

Die Menschenrechte sind universell. Die Charta der Vereinten Nationen, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die beiden Internationalen Pakte sind nicht allein Sache des Westens oder Ostens, des Nordens oder Südens. Sie sind bindend für uns alle und begründen eine internationale Ordnung, die wir letztlich alle brauchen.

Deshalb müssen wir auch unser eigenes Handeln selbstkritisch prüfen. So ist beispielsweise in einigen afrikanischen Ländern, unter anderem in Ruanda, Namibia oder Südafrika, der Anteil von Frauen im Parlament viel höher als in Deutschland. Wir müssen voneinander lernen. Demokratien sind nie statisch. Wir sollten Kritik als Einladung betrachten, Veränderungen zum Besseren herbeizuführen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

dieser Rat spielt eine zentrale Rolle bei unseren gemeinsamen Bemühungen zur Wahrung der Menschenrechte:

Erstens sollte dieser Rat ein Ort des Zuhörens sein. Daher unterstützen wir nachdrücklich die Forderung der Ukraine nach einer Dringlichkeitsdebatte während dieser Tagung des Rates.

Wir müssen die Stimmen von Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten aus Ägypten, Venezuela oder Belarus hören.

Wir müssen die Erfahrungen von Frauen hören – sie sind es, die in Konflikten und Krisen am stärksten gefährdet sind. „Solange Frauen nicht sicher sind, ist niemand sicher“: So haben es die Frauen an der Kontaktlinie bei meinem Besuch im Osten der Ukraine letzten Monat treffend gesagt.

Deshalb will mein Land im Geiste einer feministischen Außenpolitik die Rechte von Frauen und Mädchen stärken. Wir wollen ihre Teilhabe und ihre Ressourcen stärken. Wir wollen Diversität weltweit fördern.

Zweitens brauchen wir größere Transparenz. Wir ermutigen die Hohe Kommissarin für Menschenrechte, ihren Bericht zur Inhaftierung von Mitgliedern der muslimischen Gemeinschaft der Uiguren zu veröffentlichen – und wir fordern Peking auf, ungehinderten Zugang zu gewähren.

Das bringt mich zu meinem dritten Punkt: Die Förderung der Menschenrechte ist keine Einmischung in innere Angelegenheiten. Schwere Menschenrechtsverletzungen müssen strafrechtlich verfolgt werden. Deshalb müssen wir die Mechanismen zur Rechenschaftspflicht für Belarus, für Südsudan, für Syrien und für Myanmar ausweiten. Und wir brauchen dringend eine Untersuchungskommission zur Ukraine, um alle Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen, die Russland seit Beginn seiner militärischen Aggression begangen hat. Beim Thema Rechenschaftspflicht müssen wir klar Position beziehen.

Im Laufe des Jahres wird Deutschland Sie um Unterstützung dafür bitten, weitere drei Jahre Mitglied dieses Rates zu sein. Wir tun dies, weil wir der Überzeugung sind, dass wir alle gemeinsam die Rechte der Menschen in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen müssen. Für die Mütter, Väter und Kinder in der Ukraine. Für alle, die Leid erfahren. Wir müssen jetzt handeln.

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