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Ansprache von Botschafter von Geyr zu Weihnachten und zum Neuen Jahr

23.12.2021 - Rede

Weihnachts- und Neujahrsansprache von Botschafter von Geyr

Liebe Landsleute,
zu Weihnachten und zum Neuen Jahr wünschen sich die Menschen Gutes, das Beste. Zuvorderst steht oft der Wunsch nach friedvollen und fröhlichen Weihnachtstagen. So ist dies auch mein Wunsch für Sie, Ihre Familien und Freunde.

Dabei ist „friedlich“ und „fröhlich“ nicht nur so daher gesagt – zumal nach einem Jahr, das uns allen durchaus einiges abverlangt hat.

Der Blick zurück, hier aus Moskau, bleibt zunächst bei dem Thema hängen, das uns alle seit schon bald zwei Jahren in seinen Fängen hält: Die Corona-Pandemie führt weiterhin zu doch erheblichen Einschränkungen in der Art wie wir leben und arbeiten. In Deutschland brachten Herbst und Winter hohe Infektionszahlen und auch in Russland ist die Situation leider weiterhin nicht gut oder beruhigend.

Dennoch ist die Lage heute eine ganz andere, ja, eine wesentlich bessere, als vor einem Jahr. Worauf wir damals noch hoffen mussten, das haben wir nun: Impfstoffe, die uns vor einer schweren Erkrankung schützen.

Schutz – für wen? Vielleicht ist die Weihnachtszeit ganz passend um sich zu vergegenwärtigen, dass es bei jeder Impfung nicht nur um den Einzelnen selbst geht, sondern auch um die Gemeinschaft: Sich selbst und die Anderen schützen, darum geht es.

Und der Kreis der Gemeinschaft, auch das hat uns das Jahr gezeigt, ist groß, sehr groß: die Familie, der Arbeitsbereich, die Schule, der Konzertsaal, die Stadt, das Land – ja letztlich zeigt uns diese Pandemie, wie wir in unserer global vernetzten Welt zusammenhängen und voneinander abhängen und dass wir diese Plage nur gemeinsam loswerden können: in der Verantwortung jedes und jeder Einzelnen für sich selbst und für die Anderen.

So meine Bitte - wie ich dies auch in meiner Botschaft tue - an Sie alle, Impfungen zu nutzen, in der Verantwortung auch für die Gemeinschaft - und ein Stück weit auch in Dankbarkeit, dass wir in unseren Ländern über Impfstoff verfügen, während ein Großteil der Menschen wird viel länger warten müssen.

Damit zum Blick auf das Miteinander unserer Länder und, das Wichtigste: der Menschen, von Russen und Deutschen.

Vieles, sehr vieles hat sich bewegt in diesem Jahr.

Viel Gutes: im Deutschlandjahr in Russland haben wir es geschafft quer über das Land gut 1000 Veranstaltungen auf die Beine zu stellen, virtuell und in Präsenz, dabei grandiose Konzerte und Ausstellungen, ebenso wie unzählige kleinere thematische Veranstaltungen, alle mit engagierten, aufgeschlossenen Partnern – das waren gut 1000 beste Gelegenheiten zu Dialog und Begegnungen der Menschen. Wir werden jetzt den Schwung mit in das kommende Jahr nehmen.

Unsere Wissenschaft, die Universitäten kooperieren hochkarätig, ob in der Arktis, oder im All - ein deutscher Astronaut ist in diesen Weihnachtstagen mit russischen Kosmonauten auf der Internationalen Raumstation. Und zu den großen und spannenden Zukunftsthemen Klima, Gesundheit, neue Energieträger gibt das auf „Nachhaltigkeit“ ausgerichtete gemeinsame deutsch-russische Themenjahr für 2022 und danach vielversprechende Perspektiven.

Unsere Wirtschaft ist weiterhin stark hier präsent und wirkt auch als solide Brücke in die Tiefe unserer Beziehungen hinein, was gerade in schwierigen Zeiten besonders wichtig ist.

Schwierige Zeiten – davon erleben wir derzeit politisch leider viel zu viel, gerade wieder in diesen Tagen. Auch das hat unser Jahr geprägt und die Sorgen werden nicht weniger.

Sie alle kennen die Stichworte: Umgang mit der Zivilgesellschaft in Russland, aktuell Memorial, auch Navalny, gezielte Hacker-Angriffe, eine Verdüsterung des Verhältnisses zur Europäischen Union, die brisante Zuspitzung der Lage um die Ukraine, gerade erst das Urteil des Berliner Kammergerichts mit eindeutigen Aussagen und Folgen. Dies nur einige der Themen, die zwischen uns liegen – und wir werden lange brauchen, bis wir hier wieder zueinander finden.

Ich hoffe sehr, dass damit die innere Substanz unserer Beziehungen nicht Schaden nimmt, denn, auch wenn es bequem wäre: das Wirtschaftliche lässt sich vom Politischen und der zivilgesellschaftlichen Atmosphäre nicht trennen.

Und genau auf dieses Atmosphärische möchte ich besonders hinweisen: Als Botschafter erfahre ich immer wieder wie wertvoll und kostbar es ist, dass sich die Menschen in unseren beiden Ländern auf eine ganz besondere Art zugewandt sind, trotz unserer wechselvollen, auch so leidvollen gemeinsamen Geschichte, dass wir Interesse aneinander und Sympathie füreinander haben.

Dazu passt nicht, dass sich viele der für das deutsch-russische Miteinander engagierten deutschen Organisationen zunehmend Sorgen machen, ihre Mitarbeiter könnten als „ausländische Agenten“ stigmatisiert, sie selbst zu „unerwünschten ausländischen Organisationen“ erklärt werden, wie es in diesem Jahr auch gegenüber einigen deutschen Organisationen erfolgt ist.

Leider: Dies und so manch eine Tonalität der Kommentare beginnt bereits zu wirken. Dort, wo wir uns doch freuen sollten über das Engagement der Menschen, über die Vielfalt und Breite der Zusammenarbeit, dort beginnen russische Partner zurückzuschrecken.

Mein Wunsch für das kommende Jahr ist, dass wir, gerade weil die politischen Beziehungen verhärtet sind, all die guten und wertvollen Ansätze, die uns verbinden, sich entfalten lassen. Das Verstehen und Erfahren von Gemeinsamkeiten und Unterschieden ist doch bereichernd für alle. Es ist doch der Austausch von Ideen und Argumenten, der gute Lösungen bringt, zu Fortschritt führt, zu gemeinsamem Erkenntnisgewinn.

Ich bin überzeugt: Vielfalt ist ein Gewinn.

Deutschland wie Russland brauchen in unserer globalisierten Zukunft Weltoffenheit - gerade die junge Generation. Deshalb möchte ich einen Bereich erwähnen, der mir für das kommende Jahr besonders am Herzen liegt: der deutsch-russische Jugendaustausch.
Noch 2019 hatte dieser Austausch ein starkes Volumen: gut 32.000 junge Menschen konnten das andere Land besuchen. Aufgrund der Pandemie kam dies nahezu zum Stillstand – was nicht gut ist für das sich Kennen und Verstehen.

Vielleicht, wenn die Pandemie erlaubt, können wir im kommenden Jahr hier einen besonderen Akzent setzen, nicht nur anknüpfen an das frühere Niveau, sondern der Generation, die diese Erfahrungen nicht machen konnte, ein zusätzliches Angebot machen. Was kann es besseres geben, als jungen Menschen die Möglichkeit zu schaffen, die Welt durch die Augen ihrer Altersgenossen in anderen Ländern zu sehen?

Bundespräsident Steinmeier hat es kürzlich bei einer deutsch-russischen Veranstaltung in Hamburg folgendermaßen ausgedrückt: „Der Jugendaustausch ist die beste Investition um Brücken zu bauen zwischen den Gesellschaften Deutschlands und Russlands. Es ist eine Investition in die Zukunft. Eine Investition in Frieden und internationale Zusammenarbeit.“

Das bringt mich zurück zu den Weihnachtswünschen nach friedvollen und fröhlichen Tagen.
Wenn junge Deutsche und Russen Interesse aneinander haben, schaffen wir Zuversicht. Wo man sich kennt, den Wert der Vielfalt versteht, da entsteht Vertrauen, das ausstrahlen kann auch auf die Politik.

Liebe Landsleute,
wir, Sie alle haben auf ganz unterschiedliche, vielfältigste Art Anteil am Miteinander zwischen Deutschen und Russen – und ich danke jeder und jedem von Ihnen für Ihr Engagement. Ich wünsche Ihnen, Ihren Familien und Freunden hier in Russland und in Deutschland eine friedvolle und fröhliche Weihnachtszeit und ein gutes neues Jahr.

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