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Ansprache von Botschafter von Geyr zum Volkstrauertag

Botschafter von Geyr

Botschafter von Geyr, © Nikita Markov

14.11.2021 - Rede

Kriegsgräberfriedhof Moskau-Ljublino, 14.11.2021

Sehr geehrte Veteranen,
Soldatinnen und Soldaten,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich danke Ihnen für Ihr Kommen, Ihre Anwesenheit an dieser Stätte an einem Tag, an dem wir aller Opfer von Krieg, Gewalt und Terror weltweit gedenken.

Der Volkstrauertag ist kein angenehmer oder bequemer Tag, aber er ist wichtig und bedeutsam. Denn er fordert uns auf, uns mit dem Leid, das durch Kriege und Gewaltherrschaften verursacht wurde und immer wieder wird, auseinanderzusetzen.

Friedhof Ljublino
Friedhof Ljublino© Nikita Markov

Wir gedenken der Soldaten und Zivilisten, die in den beiden Weltkriegen durch Kriegshandlungen, Gefangenschaft oder als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.

Wir trauern aber auch um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung und um die Angehörigen der Bundeswehr und der Streitkräfte befreundeter Nationen, die im Einsatz ihr Leben verloren.

Hier auf dem Friedhof in Ljublino haben neben 495 deutschen auch zahlreiche Kriegsgefangene weiterer europäischer Länder, und auch aus Japan, ihre letzte Ruhestätte gefunden.

Dieser Friedhof steht stellvertretend für die vielen Soldatenfriedhöfe in ganz Europa – für die ungeheuren Tragödien des vorherigen Jahrhunderts auf unserem Kontinent.

Dabei war dieses Jahr geprägt von der Erinnerung an den Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion vor 80 Jahren – am 22. Juni 1941; zwei Jahre nach Beginn des 2. Weltkrieges, in denen dieser bereits weite Teile Europas mit Zerstörung, Besatzung und purem Terror überzogen hatte. Ein Krieg, von Nazi-Deutschland entfacht, wegen dem weltweit eine Vielzahl an Völkern Abermillionen Tote zu beklagen hatte, ganz besonders Russland – und wir trauern um jeden und jede Einzelne.

Sich das Grauen und die Schrecken der Vergangenheit in Erinnerung zu rufen fällt niemandem leicht, natürlich nicht. Aber die Erinnerung ist unser wesentlicher Beitrag dazu, dass es nie wieder so wird, wie es war.

Deshalb sollten, ja müssen wir uns erinnern – gerade für uns Deutsche ist und bleibt die Erinnerung ein Auftrag, ein Auftrag aus dem damaligen Leid.

Bundespräsident Steinmeier hat im Juni anlässlich des 80. Jahrestages des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion eine bedeutende Rede gehalten, am Ort der Kapitulation in Berlin-Karlshorst, heute ein deutsch-russisches Museum. Er hat gesagt: „Nur der, der die Spuren der Vergangenheit in der Gegenwart lesen lernt, wird zu einer Zukunft beitragen können, die Kriege vermeidet, Gewaltherrschaft ablehnt und ein friedliches Zusammenleben in Freiheit ermöglicht“.

Es ist gut, dass wir heute hier sind. Denn der Blick über diese Gräber oft junger Menschen zeigt uns, dass Frieden und das Gefühl der Sicherheit, in dem wir heute leben dürfen, zerbrechlich sind.

Frieden ist nicht selbstverständlich. Unsere Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr treten für Frieden ein, auch unter Einsatz ihres Lebens.

Aber auch wir alle können beitragen, jeder von uns.

Botschafter von Geyr
Botschafter von Geyr© Nikita Markov

Mit Dialogbereitschaft, um gegenseitiges Verständnis zu fördern, Missverständnisse zu vermeiden, mit dem Üben von Toleranz und mit der Erinnerung an unsere Geschichte.

Wenn wir Deutsche nach den Lehren aus den Untiefen unserer Geschichte während der Nazi-Diktatur suchen, finden wir diese Lehren einzigartig zusammengefasst im ersten Artikel unseres Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

In Ehrfurcht vor den Toten der beiden Weltkriege und der Opfer von Gewaltherrschaft sowie aller Kriegsopfer und gefallenen Soldaten weltweit legen wir als Zeichen des Gedenkens diesen Kranz nieder.

Wir trauern mit den Angehörigen, wir halten inne, um uns ihr Leid zu vergegenwärtigen. Wir tun dies aber nicht nur in einem erinnernden Rückblick, sondern mit der Hoffnung und dem Willen zu einer guten, friedlichen Zukunft.

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