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Grußwort von Botschafter von Geyr anlässlich des Tages der Deutschen Einheit 2021

Botschafter von Geyr

Botschafter von Geyr, © Deutsche Botschaft Moskau

03.10.2021 - Rede

Jetzt gestatten Sie mir bitte als deutscher Botschafter noch einige Gedanken zum heutigen Tag.

Hier in Moskau haben wir im vergangenen Jahr mit einem ganz außergewöhnlichen Kunstwerk der deutschen Einheit gedacht. Eine Nachbildung der Berliner Mauer symbolisierte deren Überwindung, die durchbrochene Mauer richtete den Blick nach vorne. Die Aufschrift „The World is too Small for Walls“ könnte für die heutige Zeit gar nicht besser formuliert werden.

Wir wissen, die deutsche Einheit war 1989 und `90 nicht selbstverständlich. Wir wissen, dass sie damals ohne Moskau nicht gelungen wäre. Und wir wissen, dass sie für uns Auftrag ist und bleibt, Wege zur Überwindung von Mauern zu suchen.

Die Bundeskanzlerin hat in der Pressekonferenz bei ihrem letzten Besuch in Moskau folgendermaßen Bilanz gezogen:

Sie bedauere, dass sich in den vergangenen Jahren die politischen Systeme unserer beiden Länder auseinanderentwickelt hätten. Zugleich sei es aber immer zentral gewesen für Deutschland und Russland im Dialog zu bleiben.

Dies, davon bin ich fest überzeugt, ist aus vielen Gründen für Russen und Deutsche ganz besonders wichtig.

Wir sind uns auf ganz besondere Weise verbunden durch Geografie und Geschichte.

Dialog ist beiderseitiges Interesse. Dialog ist für uns ein Muss! Dialog, das ist die Bereitschaft zu verstehen, voneinander zu lernen, sich zu erklären.

Das gilt für uns alle, auch für mich als Botschafter. Ja, ich lerne viel hier in Russland - in den Begegnungen mit der Politik wie in den Begegnungen mit vielen Menschen.

Umgekehrt möchte ich mein Land und seine Politik erklären, und zwar in all seine vielfältigen Facetten.

Mein Blick auf die deutsch-russischen Beziehungen heute ist gemischt. Es gibt sehr viel, sehr Erfolgreiches. Aber ich bin auch durchaus besorgt und ich hoffe, bald wieder optimistischer sein zu können.

Zu meinem Blick gehört, dass in vielen Bereichen das Miteinander gut, eng, teils sehr gut funktioniert, etwa in der Wissenschaft, in der Kultur, auch in der Wirtschaft. Ich bin stolz auf eine starke deutsche Wirtschaft hier in Russland. Ich bin stolz auf den Respekt, der der Expertise der deutschen Wissenschaft entgegengebracht wird, auf die Attraktivität unseres Kulturangebots.

In einigen Bereichen sind die Gräben aber leider tief. Die Bundesregierung formuliert ihre Positionen gemeinsam mit unseren europäischen und atlantischen Partnern sehr klar. Und das wird auch gewiss so bleiben. Und zwar auf der Basis völkerrechtlicher und insbesondere menschenrechtlicher Regeln und Standards, denen wir gemeinsam, Deutsche, Europäer, Russen, verpflichtet sind. Klarheit darüber gehört zu einem sinnvollen aufrichtigen Dialog von Regierungen.

Zum Dialog zwischen Ländern wie Russland und Deutschland gehört in unserer modernen Welt aber auch immer der unmittelbare Austausch der Menschen, der Zivilgesellschaften.

Ja, ich möchte sagen, dass unmittelbare Miteinander der Menschen ist die eigentliche Seele der Beziehungen zwischen zwei Staaten. Hier haben wir Verantwortung für ein ganz besonders hohes Gut. Die Menschen, Deutsche und Russen, sind sich zugewandt. Lassen Sie uns alles tun, damit die Bedingungen für einen offenen und vielfältigen Austausch unserer Zivilgesellschaften erhalten bleiben und dass dabei auch kritische Geister teilnehmen können. Auch sie gehören zur Vielfalt unserer Gesellschaften.

Ganz gewiss ist die Grundhaltung der Deutschen gegenüber Russen heute eine zugewandte. Und umgekehrt bin ich dankbar für die Sympathien, die Deutschland bei den Menschen in Russland entgegengebracht werden. Und ich weiß, dass dies nicht selbstverständlich ist.

Oft aber höre oder lese ich in letzter Zeit hier schrille, ja scharfe Töne, als seien der Westen, Europa, Deutschland „russophob“. Das ist nicht so. Die Realität zeigt das Gegenteil.

Nur zwei Beispiele:

Bis Ende des Jahres läuft das Deutschlandjahr in Russland. Deutschlandjahr, das sind gut 1000 Veranstaltungen aus Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft – aus vielen Bereichen, große und kleine, in Metropolen und in Regionen des Landes – alle gleich wichtig.

Deutschlandjahr, das ist ein großes Angebot zum Miteinander, das sind hunderte Dialoge zwischen Deutschen und Russen - und ich bin sehr froh über die außerordentlich hohe Resonanz auf unsere Angebote. Deutschlandjahr, das ist eine Investition meines Landes in die Menschen unserer beiden Länder.

Zweites Beispiel:

Unsere Regierungen haben ein Themenjahr beschlossen, das in diesem und im kommenden Jahr besondere Akzente setzen soll bei Zukunftsfragen. Es heißt „Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung“. Dieses Themenjahr ist das Angebot zum Miteinander bei den großen Fragen, die sich die Gesellschaften der Welt stellen. Die Menschen hier in Russland wie in Deutschland merken, dass mit unserer Erde etwas nicht mehr stimmt. Und sie stellen sich viele andere Fragen über die Zukunft, über Nachhaltigkeit des Agierens, des Tuns in vielen Lebensbereichen.

Über Nachhaltigkeit gemeinsam nachzudenken und daraus Projekte zu machen: Nachhaltigkeit, Klima, Energie, Infrastruktur, im Wirtschaftsaustausch, Ernährungsfragen. All das ist eine Investition in die Zukunft!

Nur ein Beispiel: Die deutsche Wirtschaft stellt 1000 Plätze für russische Praktikantinnen und Praktikanten bei deutschen Firmen hier in Russland zur Verfügung. Eine Investition in die gemeinsame Zukunft.

Wir können gerade bei diesem großen Thema „Nachhaltigkeit“ viel erreichen, viel gemeinsam erreichen. Kluge Köpfe, engagierte Menschen zusammenbringen.

Wasserstoffenergie ist nur ein Stichwort, aber ein sehr vielversprechendes.

Ich hoffe sehr, dass wir die Möglichkeiten dieses Themenjahres beherzt angehen und dies das kommende Jahr im deutsch-russischen mit vielen anderen Themen prägen wird, in unserem beiderseitigen Interesse für eine gute gemeinsame Zukunft.

Digitaler Tag der Deutschen Einheit 2021

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