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Grußwort für die Gedenkfeier in Schönchen bei Saratow aus Anlass der Segnung eines Gedenkkreuzes am 80. Jahrestages des Stalin-Erlasses zur Deportation der Wolgadeutschen
Sehr geehrter Herr Bischof Pickel, sehr verehrte Anwesende,
vor 80 Jahren hat sich das Leben der Russlanddeutschen gewaltsam und brutal verändert. Mit dem Erlass Stalins zur Deportation der Wolgadeutschen begann eine lange Leidenszeit. Viele der aus Deutschland stammenden und fest in Russland verwurzelten Menschen verloren ihr Leben. Viele mussten jahrzehntelang Zwangsarbeit leisten. Familien wurden dauerhaft auseinandergerissen. Viele haben ihre Heimat nicht mehr wiedergesehen.
Sie haben sich heute versammelt, um der zahllosen Opfer zu gedenken. Leider kann ich nicht persönlich an ihrer Gedenkfeier teilnehmen. Aber bitte seien Sie versichert, dass ich in Gedanken bei Ihnen bin.
Wie hat es damals vor 80 Jahren soweit kommen können? Hatten doch die Russlanddeutschen seit ihrer Ankunft in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wertvolle Aufbauarbeit geleistet. Sie hatten sich einen guten Ruf erworben und wurden als verlässliche Partner geschätzt. Sie brachten ihr Wissen und ihre Fähigkeiten mit nach Russland und halfen, ihre Siedlungsgebiete weiter zu entwickeln. Darin unterschieden sie sich nicht von anderen Siedlern, etwa den Hugenotten, die in Preußen in ähnlicher Weise positiv gewirkt haben. Oder von vielen Flüchtlingen heute, die nach einer oft nicht leichten Integration viel Kraft und neue Ideen in ihre neue Heimat investieren.
Natürlich ist der Erlass Stalins aufs Engste mit dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion verbunden. Dieser verbrecherische Überfall, für den allein Deutschland die Verantwortung trägt, ist der Anlass für die Deportation der Wolgadeutschen und anderer Deutschstämmiger in der Sowjetunion gewesen. Insofern waren die
Russlanddeutschen damals mittelbar auch ein Opfer des nationalsozialistischen Deutschlands.
So verbrecherisch der deutsche Überfall war, so kann er doch keinesfalls diesen Erlass entschuldigen. Eine ganze Volksgruppe wurde diskriminiert, kollektiv verurteilt und ins Verderben gestürzt. Und es hat Jahrzehnte gedauert, bis die gravierenden Benachteiligungen der Russlanddeutschen in der Sowjetunion aufgehoben wurden.
In der langen Leidenszeit war der Glaube eine wichtige Stütze für die Russlanddeutschen – ganz egal, ob sie Protestanten oder Katholiken waren. Die tiefe religiöse Verwurzelung hat vielen Menschen einen überlebensnotwendigen Halt gegeben.
Es überrascht mich nicht, dass heute diese beiden Kirchen sich so vorbildhaft um das Gedenken an die Deportation der Russlanddeutschen kümmern. Dafür möchte ich nachdrücklich danken. Mit dem Gedenken unterstreichen wir die Würde der Opfer. Und indem wir die Erinnerung an sie erhalten, helfen wir hoffentlich dabei, ähnliche Verbrechen in Zukunft zu verhüten.