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Sicherheit in einer unruhigen Welt

The Munich Security Conference is the largest event of its kind in the world.

The Munich Security Conference is the largest event of its kind in the world., © dpa

13.02.2020 - Namensbeitrag

Gastbeitrag von Botschafter von Geyr für die russische Zeitung Nesawissimaja Gaseta zur am Wochenende stattfindenden Münchner Sicherheitskonferenz.

Dieses Wochenende ist es wieder so weit: Aus der ganzen Welt kommen Staats- und Regierungschefs, Minister, Parlamentarier, Sicherheitsexperten und Journalisten nach München. Was alle zusammenführt: die Sorge um eine sichere Zukunft in einer immer unruhigeren Welt, die Suche nach Klarheit bei strategischen Linien und Zielen, sowie das Bemühen um konkrete Fortschritte zur Lösung brisanter aktueller Krisen.
Kurzum: München fühlt unserer Sicherheitslage in Europa und weit darüber hinaus auf den Puls – und damit auch unserer Sicherheitsarchitektur: Haben wir die nötigen Instrumente, um die Herausforderungen in den Griff zu bekommen? Und nutzen wir sie richtig? Stimmen unsere analytischen Ansätze?

Dabei lebt diese Konferenz von der Bereitschaft zur Offenheit, Transparenz und Austausch. Also dem oft kontroversen Ringen um die besten Argumente und die sinnvollsten Rezepte: dem Zuhören und dem verstehen wollen. Und, ja, auch der Bereitschaft zu gemeinsamen Lösungen und das bedeutet die Bereitschaft zum Kompromiss.

Ich freue mich, dass auch in diesem Jahr wieder eine bedeutende russische Delegation teilnimmt, unter Leitung von Außenminister Lawrow.

Natürlich werden alle ganz besonders auf die Aktualitäten achten: Ergibt sich in München Neues im Libyen-Dossier? Gibt es Fortschritte für die politischen Prozesse in Syrien? Lässt sich der positive Trend zur Ost-Ukraine aufrechterhalten? Dazu Iran, Jemen, Afghanistan, Westafrika, Nordkorea, der Kampf gegen transnational operierende Terrorgruppen. Konflikte und Krisen, solche die wir täglich in den Nachrichten sehen und solche die, nicht minder gefährlich, sich im Windschatten entwickeln, oft von außen geschürt. Die Liste lässt sich scheinbar unendlich verlängern. Und: In unserer globalisierten, eng vernetzten Welt haben so gut wie alle auch direkte sicherheitspolitische Auswirkungen auf unsere eigenen Regionen. Auch deshalb haben wir, Deutschland und Russland, in den vergangenen Monaten zu spezifischen Themen, etwa im Rahmen der Normandie-Gespräche zur Ost-Ukraine oder mit der Berliner Konferenz zu Libyen, gemeinsam auch mit anderen Partnern intensiv an Lösungswegen gearbeitet.

Bezeichnend für die derzeitige Lage ist, dass es bei den Diskussionen all dieser Themen neben deren Aktualität immer auch um sehr grundlegende Prinzipien gehen wird, für die München Fortschritte bringen kann und sollte. Ich möchte drei nennen:

Zunächst: Sicherheitspolitik muss breit gedacht und gestaltet werden. Die großen Zukunftsthemen gewinnen an Relevanz und werden zu konkreten Sicherheitsfragen. Dies gilt etwa für die Frage von Regeln, die unser digitalisiertes Leben und Wirtschaften im Cyber- und Informationsraum benötigen, indem Chancen und Gefahren, Freiheiten und Sicherheitserfordernisse in eine sinnvolle und verantwortungsvolle Balance gebracht werden. München kann und sollte auch zeigen, dass die Klimafrage mittlerweile auch einen zentralen sicherheitspolitischen Charakter hat, mit Auswirkungen auf all die aktuellen Krisen und weit darüber hinaus. Wo großflächige Waldbrände, tauende Permafrostböden, schmelzendes Arktiseis und steigende Wasserpegel ganz konkret die Lebensgrundlagen von Menschen bedrohen – da entstehen ganz konkret Konflikte und Auseinandersetzungen. Dies ist kein Nebenaspekt mehr wenn es darum geht, zukünftige Krisen vorauszusehen und ihr Eskalieren mit kluger Diplomatie zu vermeiden.

So liegen wir auch bilateral richtig, wenn in diesem Jahr Klimaschutz und die Frage, wie Wirtschaft nachhaltig gestaltet werden kann, Schwerpunktthemen der deutsch-russischen Zusammenarbeit sein werden.

Zweitens: Wenn es richtig ist, dass diese Gefahren herkömmliche Grenzen oder Mauern nicht kennen, dann verlangt dies nach gemeinsamen Lösungen. Also: Wir brauchen mehr und nicht weniger Multilateralismus. Auch hier kann und sollte München Akzente setzen. Dabei kann es nicht darum gehen, multilaterale Wege nur dann zu gehen wenn diese kurzfristig nützen. Vielmehr geht es um das Prinzip, Dialog und Kooperation zu suchen, also den oft mühsameren Weg der Einbindung Mehrerer oder aller, um dann wirklich haltbare Ergebnisse zu erreichen, die auch Kompromisse in Kauf nehmen. Mit anderen Worten: Moderne Sicherheitspolitik muss auf Partnerschaften setzen, bewährte multilaterale Foren und Institutionen stärken, sich in Formate begeben, die zugleich repräsentativ und handlungsfähig sind. Bei moderner Sicherheitspolitik sollte Überzeugungskraft gegenüber Durchsetzungskraft die Oberhand behalten. Wer glaubt alleine vorgehen zu können, schafft rasch ein Klima „einer gegen alle“, aus dem schlimmstenfalls gar ein „alle gegen alle“ werden könnte – und keines unserer Sicherheitsprobleme würde wirklich gelöst.

Deutschland setzt auch aus diesen Gründen sicherheitspolitisch intensiv auf multilaterale Institutionen, Partnerschaften und Bündnisse und, insbesondere da wo unsere Interessen kongruent sind, auf Zusammenarbeit auch mit Russland, 2020 auch im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.

Drittens: Gemeinsames Vorgehen braucht vor allem Verlässlichkeit, dass gemeinsame Regeln respektiert werden, und daraus entsteht Vertrauen. Vertrauen zu fassen, zu bewahren, sich zu Regeln und getroffenen Vereinbarungen zu bekennen, auch dafür ist München eine ideale Plattform.

Es geht um die Verbindlichkeit des gegebenen Wortes, oder in der Sprache der Diplomatie: den Respekt vor völkerrechtlichen Regeln und rechtstaatlichen Prinzipien, also eine regelbasierte Internationale Ordnung. Dies ist die beste Garantie für Sicherheit und Frieden, der in unserer globalisierten Welt nur möglich ist, wenn möglichst alle daran teilhaben. So gehören unser Einsatz für internationales Recht, für Menschenrechte, für humanitäres Völkerrecht, das in den verschiedenen Krisenherden der Welt täglich verletzt wird, ebenso zu einer weitsichtigen Sicherheitspolitik, wie unsere Bemühungen um verlässliche Regeln für den internationalen Handel oder eine funktionierende, an die Erfordernisse der Zukunft angepasste internationale Rüstungskontrollarchitektur.

Hier ist besonders viel zu tun. Vertragsbrüche schüren Misstrauen. In den letzten Jahren haben sie dazu geführt, dass mit dem INF-Vertrag einer der wichtigsten Rüstungskontrollverträge für Europa in die Brüche ging. Wir, die Partner in der NATO und Russland haben hier eine klar unterschiedliche Sicht. Bei einem anderen wichtigen Thema, dem Erhalt des Nuklearabkommens mit dem Iran verfolgen wir Europäer mit Russland weiterhin ein gemeinsames Ziel. Auch München kann helfen, über den Dialog wieder Vertrauen aufzubauen. Und: das deutsche Außenministerium hat im letzten Jahr einen Dialog-Prozess über die Rüstungskontrolle der Zukunft angestoßen. Es ist wichtig, dass unsere Regierungen, gemeinsam mit anderen, auch zu diesen oft schwierigen Fragen im regelmäßigen Austausch stehen.

Unsere unruhige Welt braucht gerade jetzt das gemeinsame Nachdenken über Sicherheitspolitik, in vielfältigen Formaten. Die Münchner Sicherheitskonferenz gibt dem einen idealen Rahmen.

NG vom 13.02.2020

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