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Grußwort Botschafter von Geyr anlässlich der Gedenkveranstaltung des Jüdischen Museums und der Föderation Jüdischer Gemeinden in Russland

Botschafter Dr. Géza Andreas von Geyr

Botschafter Dr. Géza Andreas von Geyr, © Nikita Markov

27.01.2020 - Rede

Aus Anlass des „International Holocaust Remembrance Day“ am 27. Januar in Moskau

Sehr geehrter Oberrabiner Berel Lazar,
sehr geehrter Wiktor Wekselberg,
sehr geehrter Rabbi Alexander Boroda,
Exzellenzen,
verehrte Gäste,

im vergangenen Dezember hat Bundekanzlerin Angela Merkel Auschwitz besucht.
In ihrer Rede sagte sie:

„Dieser Ort verpflichtet uns, die Erinnerung wachzuhalten. Wir müssen uns an die Verbrechen erinnern, die hier begangen wurden, und sie klar benennen.“

Heute gedenken wir der Befreiung des deutschen NS-Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau.

Wir erinnern uns an den Zivilisationsbruch, den der Holocaust darstellt.

Wir gedenken heute der Menschen aus all den Ländern, die im Kampf gegen Nazi-Deutschland ihr Leben ließen, und wir gedenken der Soldaten aus der gesamten ehemaligen Sowjetunion, die ihr Leben opferten, um das Todeslager Auschwitz zu befreien.

Wir Deutschen sagen heute klar und deutlich: Dieses schlimmste aller Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde von Deutschen begangen, und der schreckliche Krieg, der kurz danach endete, ging von Nazi-Deutschland aus.

Wenn ich das sage, spreche ich nicht nur über die Vergangenheit.
Denn unsere Geschichte ist Teil unserer Gegenwart und Teil unserer Zukunft.
Kein Land und keine Gesellschaft kann vor der Geschichte fliehen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass einer der Hauptgründe, warum mein Land nach 1945, nach dem Krieg und nach Auschwitz wieder ein geachtetes Mitglied der internationalen Gemeinschaft werden konnte, darin bestand, dass wir ehrlich und aufrichtig in den Spiegel unserer Geschichte geblickt haben.

Das war nicht einfach – wir mussten es erst lernen. Und das tun wir immer noch.

Seither gehört dies zu den wichtigsten Grundsätzen, die mein Land, unsere Gesellschaft und unsere Politik prägen.

Nach 1945, nach dem Krieg und nach Auschwitz wurde diese Lehre aus unserer Geschichte zur zentralen Richtschnur für unsere Zukunft.

Artikel 1 des Grundgesetzes besagt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Dieser Satz ist seitdem unser moralischer und politischer Kompass und wird es bis in alle Ewigkeit bleiben.

Als deutscher Botschafter in der Russischen Föderation fühle ich mich geehrt und bin sehr dankbar, dass ich heute in diesem eindrucksvollen Jüdischen Museum zu Ihnen sprechen darf.

Für dieses „Wunder der Versöhnung“, wie es Bundespräsident Steinmeier, der heute Auschwitz besucht, vor ein paar Tagen in Yad Vashem nannte, bin ich zutiefst dankbar.

75 Jahre nach Auschwitz erfüllt es mich mit Freude, sagen zu können, dass jüdisches Leben wieder in Deutschland floriert.

Und wir unterhalten mit all den Ländern, die so stark gelitten haben, weitreichende freundschaftliche Beziehungen – insbesondere mit Israel.

Wir wissen, dass Versöhnung ohne ehrliches Erinnern und Bemühen um das „Nie wieder“ unmöglich ist.

Ja, es stimmt, dass es 75 Jahre nach Auschwitz in vielen Teilen der Welt Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit gibt – auch in meinem Land.

Deutschland ist dagegen nicht immun.

Vor einigen Tagen stellte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble bei der Veröffentlichung eines erschütternden Auschwitz-Tagebuchs in Berlin die Frage:
„Haben wir nichts aus der Geschichte gelernt?“

Er hob hervor, dass wir auch weiterhin „Wissensvermittlung, Aufklärung, Information, Austausch“ brauchen.

Dies ist unsere Aufgabe und unsere Verantwortung.

Doch diese Verpflichtung wird immer wichtiger:

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.



Chief Rabbi Berl Lazar,
Wiktor Wekselberg,
Rabbi Alexander Boroda,
Excellences,
Distinguished guests,

Chancellor Angela Merkel visited Auschwitz last December. There she underlined:
„This site obliges us to keep the memory alive. We must remember the crimes that were committed here and name them clearly.“

Today, we commemorate the liberation of the German Nazi concentration camp in Auschwitz-Birkenau.

We remember the betrayal of all civilized values that was the Holocaust.

Today, we remember the people from so many countries that gave their lives to defeat Nazi-Germany.

And we remember the soldiers from all over the former Soviet Union that gave their lives to liberate the death camp Auschwitz.

And we Germans today say clearly: This, the worst crime of humanity, was committed by Germans.

And the terrible war, which ended shortly after, it originated from Nazi Germany.

Saying this, I do not speak only about the past.

Our history is part of our present and part of our future.

No country and no society can escape of its history.

I am deeply convinced: One of the main reasons why my country, after 1945, after the war and after Auschwitz, could become a respected member of the international community again, was: We took an honest and sincere look in the mirror of our history.

This was not easy. We had to learn how to do it. And we continue doing so.

Ever since, this has been one of the very fundamental elements shaping my country, our society and our politics.

And, after 1945, after the war and after Auschwitz,
this very lesson from our history became the guiding principle for our future.

Article one of our constitution reads: „Human Dignity is inviolable“.

This has been since and will be for all future our moral and political compass.

As German Ambassador to the Russian Federation I feel honored and very grateful to have been invited to address you today, at this impressive Jewish Museum.

I am most grateful for, as Federal President Steinmeier, who is in Auschwitz today, called it in Yad Vashem a few days ago ‚The miracle of reconciliation‘.

75 years after Auschwitz, I tell you with joy that Jewish life is flourishing again in Germany.

And, we enjoy wide-ranging friendly relations with all those countries who have suffered so much,
and especially with Israel.

We know that reconciliation is impossible without remembering honestly - and taking care about the „Never again“.

75 years after Auschwitz, yes, there do exist antisemitism and xenophobia in many parts of the world, including my country.

Germany is not immune.

A few days ago the President of our Federal Parliament, Wolfgang Schäuble, asked during the publication of a shattering Auschwitz diary in Berlin: „Haven’t we learned from our history?“

He underlined that we continue to need a „transfer of knowledge, education, information and exchange“.

This is our task and our responsibility.

This obligation is ever more important:

Human Dignity is inviolable!

Thank you for your Attention.

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