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Rede von Außenminister Maas vor dem Deutschen Bundestag zur Debatte „45 Jahre Schlussakte von Helsinki, 30 Jahre Charta von Paris - die OSZE für künftige Aufgaben stärken

20.11.2020 - Rede

(stenographisches Protokoll)

Die deutsche Wiedervereinigung und die Unterzeichnung der Charta von Paris vor 30 Jahren, das war ein Glücksmoment für Deutschland. Es war aber auch vor allen Dingen ein Glücksmoment für Europa; denn dieser Moment bedeutete nicht nur das Ende der Teilung unseres Landes, sondern - so wie es die Charta formuliert hat - vor allen Dingen auch die Hoffnung auf ein neues Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der Einheit in Europa.

Tatsächlich war dieses Europa in den vergangene 30 Jahren das demokratischste, das stabilste und auch das wohlhabendste seiner Geschichte, und das auch dank der Institutionen, die es dazu gemacht haben: der Europäischen Union, des Europarats, der NATO und auch der OSZE.

Aber der Optimismus von 1990 scheint an vielen Ort verflogen zu sein. Konflikte wie zuletzt zwischen Armenien und Aserbaidschan werden mittlerweile wieder mit Waffengewalt ausgetragen und Aufrufe, die Waffen schweigen zu lassen, von den Konfliktparteien abgelehnt. Russland hat - und auch das haben wir nicht vergessen - mit der Annexion der Krim die Friedensordnungen von Helsinki und Paris ganz eindeutig gebrochen.

Und doch: Gerade für Krisenzeiten haben uns die Schlussakte und die Pariser Charta eine ganz klare Botschaft hinterlassen: Europäische Sicherheit braucht neben Verteidigungsfähigkeit und Stärke auch immer Dialog- und Kompromissbereitschaft. Für diesen doppelten Ansatz brauchen wir eben Organisationen wie die Europäische Union, die NATO und auch eine starke OSZE; denn letztlich sorgt gerade die OSZE für Stabilität in Krisenzeiten und an Krisenorten. Ihre Sonderbeobachtermission in der Ukraine zum Beispiel hilft, den aktuellen Waffenstillstand - den längsten, den wir da bisher hatten - zu sichern. Im Konflikt um Bergkarabach bietet die Minsk-Gruppe der OSZE die zentrale Verhandlungsplattform für eine wirklich nachhaltige politische Lösung.

Die OSZE ist auch zentral für die Rüstungskontrolle in Europa. Der von Deutschland 2016 angestoßene „Strukturierte Dialog“ soll Gespräche über Frieden und Sicherheit in Europa fördern, im Übrigen auch und gerade mit Russland. Dazu sind Fortschritte im Dialog zwischen den USA und Russland gerade zur nuklearen Rüstungskontrolle und vor allen Dingen zu New START notwendig. Dafür setzt sich die Bundesregierung mit vielen Partnern, die wir in unterschiedlichen Organisationen und auf der internationalen Bühne haben, gerade jetzt ganz besonders ein; denn wir glauben, dass auch die Wahl des neuen amerikanischen Präsidenten dafür eine große Chance bietet.

Wie keine andere Organisation steht die OSZE für umfassende Sicherheit. Frieden und Wohlstand in Europa in den vergangenen 30 Jahren sind eben auch ein Produkt wirtschaftlichen Fortschritts, von Rechtsstaatlichkeit und der Einhaltung von Menschenrechten. Das muss man in diesen Tagen wieder betonen, gerade in Richtung Belarus, wo Herr Lukaschenko endlich zur Kenntnis nehmen muss: Ohne freie und faire Wahlen, ohne Gerechtigkeit und Respekt vor dem eigenen Volk gibt es eben keine Stabilität. Deshalb werden wir nicht aufhören, die OSZE auch in ihren menschlichen und wirtschaftlichen Dimensionen zu unterstützen, gerade auch mit Blick auf diesen Konflikt.

Meine Damen und Herren, die Welt ist heute - und das ist ja in der letzten Debatte auch schon der Fall gewesen; da ging es um viel größere Zeiträume - eine andere als 1975 oder 1990. Aber die Grundidee der Schlussakte von Helsinki und der Charta von Paris, nämlich kooperative Sicherheit als bleibende europäische Aufgabe zu verstehen, dürfen wir auch heute nicht aus den Augen verlieren. So steht es auch im vorliegenden Antrag. In dieser Überzeugung wird sich die Bundesregierung überall, wo sie kann - in den unterschiedlichen Organisationen, auf der internationalen Ebene -, einsetzen und weiter danach handeln.

Herzlichen Dank.

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