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„Dieses Europa ist zu Großem fähig“

EU-Parlament in Brüssel - Bundeskanzlerin Merkel

08.07.2020, Belgien, Brüssel: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Präsidentin des Europäischen Rates, hält eine Rede während eines Besuchs des Europäischen Parlaments. Deutschland hält seit dem 1. Juli die sechsmonatige Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union. Foto: Thierry Monasse/dpa | Verwendung weltweit, © dpa

08.07.2020 - Rede

Bundeskanzlerin Merkel hat vor dem Europäischen Parlament die Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft vorgestellt. Die Kanzlerin betonte besonders den Zusammenhalt und die Bedeutung von Grundrechten in der Europäischen Union.

Die Grundrechte nannte Bundeskanzlerin Angela Merkel als das Erste, was ihr für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft am Herzen liegt. Europa habe Krisen überstanden, weil am Ende allen bewusst war, was unverzichtbar sei: die Grundrechte und der Zusammenhalt. „Das sind die Rechte, die für alle gelten. Sie gelten nicht für die einen mehr und die anderen weniger. Sie gelten nicht für die einen immer und für die anderen nur manchmal. Sie gelten.“

Kanzlerin Merkel erläuterte in ihrer Rede vor dem Europäischen Parlament in Brüssel die Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Am 1. Juli hatte Deutschland den Vorsitz im Rat der Europäischen Union für sechs Monate übernommen. Das Motto: „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“

Zusammenhalt und europäische Solidarität

Als zweites Leitmotiv der Ratspräsidentschaft nannte die Kanzlerin den Zusammenhalt. Europäische Solidarität sei jedoch nicht einfach nur eine humane Geste, sondern eine nachhaltige Investition. Etwas, das sich für alle lohnen werde. Deshalb appellierte die Kanzlerin zu einer Einigung in den EU-Finanzfragen noch in diesem Sommer. Sie freue sich, dass die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag zum EU-Haushalt viele Aspekte des europäische Aufbaufonds zur Erholung Europas nach der Pandemie berücksichtige.

Die Kanzlerin hatte den Aufbaufonds über 500 Milliarden Euro mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorgeschlagen. Sie betonte jedoch auch, dass die Solidarität für besonders von der Krise betroffene Regionen zwar in aller Interesse sei, es aber auch zu beachten gelte, dass „die wirtschaftlich Starken nicht über Gebühr“ belastet würden.

Europa muss Vorreiter beim Klimaschutz sein

Die Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen werde zwar die deutsche Ratspräsidentschaft prägen, so Merkel. Dennoch müssten zugleich die weiteren Herausforderungen im Blick behalten werden. Beim Klimawandel verwies Merkel auf das Klimaschutzprogramm, das Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor einem halben Jahr vorgestellt hat. Sie sei ebenso davon überzeugt, dass eine globale Lösung des Klimawandels nur möglich sei, wenn Europa eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnehme.

Wichtig sei ihr dabei, Europas Klimaneutralität bis 2050 rechtlich festzuschreiben, so Merkel. Sie begrüße deshalb die Überlegungen der EU-Kommission als Zwischenschritt die Emissionen bis 2030 auf 50 bis 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. „In dieser Perspektive werden wir auch die Arbeiten am europäischen Klimaschutzgesetz begleiten.“

Die Kanzlerin nannte zudem den digitalen Wandel als große Herausforderung. Er verlange, „dass wir unsere Art zu wirtschaften und leben nachhaltig ändern“. Das löse bei vielen Menschen Angst aus. Dennoch gehe es „um einen notwendigen Wandel unserer Gesellschaft, der langfristig mehr Schutz und mehr Nachhaltigkeit bieten wird“.

„In einer Demokratie braucht es Wahrheit und Transparenz“

Merkel verwies auf die Gefahren für die Demokratie - gerade in der Corona-Pandemie: „Mit Lüge und Desinformation können wir die Pandemie nicht bekämpfen, so wenig wie mit Hass und Hetze.“ In einer Demokratie brauche es Wahrheit und Transparenz. „Das zeichnet Europa aus und dafür wird sich Deutschland in seiner Ratspräsidentschaft stark machen.“

Europas Verantwortung in einer globalisierten Welt

Die Kanzlerin ging auch auf Europas Rolle in der Welt ein. „Wir leben in einer Zeit der globalen Umbrüche, in der sich die Kraftfelder verschieben.“ Europa sei bei aller Einbindung in das transatlantische Bündnis mehr auf sich selbst gestellt. Es komme jetzt darauf an, „ob wir ein Europa wollen, das seine Freiheit und seine Identität auch in Zeiten der Globalisierung bewahrt“. In dieser Lage sei eine starke Außen- und Sicherheitspolitik notwendig.

Neben den Verhandlungen zum künftigen Verhältnis zum Vereinigten Königreich müssten auf weiteren außenpolitischen Feldern Fortschritte erzielt werden: Bei der Beitrittskonferenz mit Nordmazedonien und gegebenenfalls Albanien, bei den Beziehungen zu Afrika und der Afrikanischen Union sowie bei der Migration- und Asylpolitik. Große Bedeutung hätten auch die strategischen Beziehungen zu China.

Konferenz zur Zukunft Europas

Während der deutschen Ratspräsidentschaft wolle man außerdem Überlegungen darüber fortführen, ob man in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik am Einstimmigkeitsprinzip festhalten wolle oder nicht. „Diese Debatte sollten wir auch im Rahmen einer Konferenz zur Zukunft Europas führen, die von der Europäischen Kommission im vergangenen Jahr vorgeschlagen wurde und zu der Sie mit Ihren Entschließungen viele Ideen entwickelt haben“, so die Kanzlerin.

Am Ende gedachte die Kanzlerin des Komponisten der Europahymne, Ludwig van Beethoven. Seine 9. Sinfonie erfülle sie immer wieder neu. Die Botschaft dieser Musik, die Idee der Brüderlichkeit und Eintracht, möge Europa leiten, war der Wunsch der Kanzlerin: „Welche Botschaft könnte passender sein als die, dass dieses Europa zu Großem fähig ist, wenn wir einander beistehen und zusammenhalten?!“

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